2. Monitoring & Evaluation
Auf den Punkt
- Monitoring und Evaluation sind unabdingbare Elemente der nachhaltigen Entwicklung. Dabei kann zwischen Monitoring der Kommunalentwicklung als integrativer Ansatz, Monitoring der Wirtschaftsaktivitäten als ein wichtiges Subsystem in der Kommune und Monitoring der Wirtschaftsförderung als wirtschaftliche Messung und Selbstevaluation unterschieden werden. Das Kapitel fasst die wichtigsten Instrumente auf den einzelnen Ebenen zusammen und regt für einen integrativen Ansatz an.
- Das Monitoring als Aktivität der Wirtschaftsförderung beinhaltet neben Sensibilisierungsmaßnahmen und der Förderung des nachhaltigen Wirtschaftens auf Unternehmensebene – dort, wo möglich auch – die Kooperation mit und Beteiligung von Unternehmen bei der Datenerfassung und die Abbildung des nachhaltigen Wirtschaftens auf kommunaler Ebene. Gleichzeitig gilt es, die Nachhaltigkeit innerhalb der Wirtschaftsförderung als Vorbild zu sichern.
- »Bottrop setzt um«: Einführung des Werkzeugkastens für die Wirtschaftsförderung (22 Werkzeuge für Strategieentwicklung, Teamarbeit, Wissensmanagement, Monitoring und Evaluation). Evaluation der Reallabore innerhalb von »Bottrop 2018+«).
- Praxisbeispiele: (1) InnovationCity Ruhr | Modelstadt Bottrop – Messung von CO2 Emissionen, Effekte auf die Wirtschaft und Steigerung der Lebensqualität. (2) SDG Indikatoren für Kommunen – Onlineplatt-form nach Baukastenprinzip für ein wirkungsorientiertes kommunales Nachhaltigkeitsmanagement. (3) Indikatorenvergleich für die Wirtschaftsförderung – Übersicht von Indikatoren und beispielhaften Maßnahmen in Bezug auf die SDGs.
»Nachhaltigkeits-Monitoring und Evaluation erlauben mittel- und langfristig Transformationspfade nachzuzeichnen, zu steuern und zu überprüfen«
Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die fünf Missionen der Europäischen Union (Kapitel 1) gelten als die Orientierung für die Nachhaltigkeitsentwicklung auf allen Governance-Ebenen. Sie bilden einen Ausgangspunkt zur Strategieentwicklung und adressieren mit ihren abstrakten Formulierungen primär politische Entscheidungsträger:innen. Die Aufgabe, konkrete Handlungsprogramme zu entwickeln und das Erreichen der gesetzten Ziele zu steuern, fällt den Kommunen und Regionen zu (Jossin 2021). Als Hauptakteur der Umsetzung und des Orchestrierens der Transitionsprozesse wird von ihnen erwartet, nicht nur kontextspezifische Nachhaltigkeitsansätze zu entwickeln, sondern zugleich die damit einhergehenden Unsicherheiten zu reduzieren und mittelfristig Informationen über die Zielerreichung zu liefern. Im Idealfall wären die Kommunen auf Basis ihrer kontextspezifischen Strategien und deren Umsetzung in der Lage, folgende Frage zu beantworten: »Welchen Beitrag leisten meine Aktivitäten zur Erreichung der einzelnen Nachhaltigkeitsziele?« Die Beantwortung dieser Frage verlangt Transparenz, Messung und eine Reflexion der Fortschritte, sowohl in Bezug auf die Strategie als Ganzes wie auch mit Blick auf einzelne Projekte und Maßnahmen und betrifft insofern die gesamte Kommune oder Region, sowie die Wirtschaftsförderung als ein zentraler Akteur.
Anerkannte Instrumente zur Messung und Reflexion aus der Betriebswirtschaftslehre stellen das Monitoring und die Evaluation dar (Abb. 2.1). Sie werden seit langem im Unternehmenskontext zur Steuerung der Wirtschaftsleistung genutzt, mit der wachsenden Bedeutung des Nachhaltigkeitsmanagements auf kommunaler Ebene halten sie jedoch verstärkt in den Verwaltungskontext Einzug. Die Prozesse zur Entwicklung, Durchführung und Überprüfung von Nachhaltigkeitsstrategien in der Kommunalentwicklung unterscheiden sich dahingehend von denen in Unternehmen, als dass die Anzahl der beteiligten Akteure und ihre unterschiedlichen Interessen deutlich höher sind. Die damit einhergehende steigende Komplexität verlangt eine entsprechende Anpassung der Werk-zeuge, sodass Strategien, Projekte und Maßnahmen mit unterschiedlicher Reichweite und Akteurskonstellationen evaluiert werden können.
Nachhaltige Kommunalentwicklung repräsentiert somit einen ganzheitlichen Ansatz, der soziale und wirtschaftliche Entwicklung, Umweltmanagement und die enge Zusammenarbeit zwischen den Kommunalakteuren integriert (Abb. 2.1). Dabei werden Ziele, Programme und Maßnahmen unter Beteiligung von Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft und unter Berücksichtigung von Ressourceneffizienz, Energieverbrauch, biologischer Vielfalt und menschlichem Wohlergehen ausgehandelt und umgesetzt (Welschhoff et al. 2017). Die entsprechende Ausrichtung und Förderung der Wirtschaft bilden einen Teil dieses Prozesses. Während nachhaltiges Wirtschaften das Verhalten von Unternehmen im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen bezeichnet, verstehen wir unter nachhaltiger Wirtschaftsförderung die Ausrichtung der wirtschaftsfördernden Aktivitäten am Standort an die übergeordneten Nachhaltigkeitsziele. Ein Beispiel ist die Berücksichtigung ökologischer Aspekte bei der Entwicklung von Gewerbegebieten durch Dachbegrünung oder die Ausschreibung von Wettbewerben für »nachhaltige« Gründungen. Damit wird dem Aspekt Rechnung getragen, dass die kommunale/regionale Wirtschaftsförderung ein wichtiger Akteur nachhaltiger standortbezogenen Transformationsprozesse ist. Zu-gleich fungiert die nachhaltige Wirtschaftsförderung als Vorbild und sollte daher – ähnlich wie die Unternehmen – Nachhaltigkeit im eigenen Tun leben. Dies setzt voraus, dass die Wirtschaftsförderung in der Lage ist, den eigenen Beitrag zu messen und nachweisen zu können, d.h. für die eigenen wirtschaftsfördernden Aktivitäten Monitoring und Evaluation durchzuführen.
Das Monitoring, d.h. die kontinuierliche Datenerfassung und Dokumentation von Fortschritten, Erfolgen und Ergebnissen, schafft als Bestandteil der strategischen Wirtschaftsförderung die Grundlage dafür, Maßnahmen nicht nur am Ende ihrer Laufzeit zu bewerten, sondern die Aktivitäten prozessbegleitend zu beobachten und diese fortlaufend zu optimieren. Die Evaluation hingegen dient zur Überprüfung von Interventionen. Im breiten Verständnis kann die Evaluation als ein strategisches Instrument der Wirtschaftsförderung verstanden werden, das dazu geeignet ist, zu einer Verbesserung der Prozesse, Ergebnisse und Wirkungen der wirtschaftsfördernden Aktivitäten beizutragen. Zugleich bedeutet Evaluation auch, aus Erfahrungen zu lernen und dieses Wissen systematisch für die tägliche Arbeit zu nutzen. Auf Basis des Monitorings und der Evaluation kann die Wirtschaftsförderung agil, d.h. vorausschauend und zielorientiert, handeln.
Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit Fragen zu Monitoring und Evaluation als unabdingbare Elemente der nachhaltigen Entwicklung. Dabei unterscheiden wir zwischen Monitoring der Kommunalentwicklung als integrativer Ansatz, Monitoring der Wirtschaftsaktivitäten als ein wichtiges Subsystem in der Kommune und Monitoring der Wirtschaftsförderung als wirtschaftliche Messung und Selbstevaluation. Das Kapitel fasst die wichtigsten Instrumente auf den einzelnen Ebenen zusammen und veranschaulicht, wie sie in einem ganzheitlichen Konzept aus quantitativen und qualitativen Indikatoren zusammenspielen (sollten).
2.1 Nachhaltige Kommune – Monitoring der Kommunalentwicklung
Kommunen sind der Motor der nachhaltigen Entwicklung unter anderem wegen ihrer Nähe zu Bürger:innen und Unternehmen (Knipp et al 2020, Riedel et al. 2016, Sydow & Kratzmann 2021). Da, wie oben erläutert, die Planung und Umsetzung integrativer Nachhaltigkeitskonzepte in den Verantwortungsbereich der Kommunen fällt, werden seit Jahren Konzepte aus dem Management und Organisationsforschung adaptiert, um die Prozessgestaltung durch Standardisierung zu unterstützen. Von der Bestandsaufnahme und Zielformulierung durch formale Beschlüsse in Gremien über die Umsetzung und das Monitoring von Maßnahmen bis hin zur Evaluation und Fortschreibung der Strategie werden Phasen formuliert und für die kommunalen Akteure in Handlungsschritte heruntergebrochen (Rabadjieva et al. 2018, Knipp et al. 2020). Die vorgeschlagenen Vorgehensweisen betonen, dass der Erfolg einer Strategieentwicklung neben Bürgerbeteiligung in der Visions- und Zielformulierung ein wirkungs-orientiertes Nachhaltigkeitsmanagement in Form von Indikatoren und Kennzahlen zur Kontrolle des Fortschritts beinhaltet. Dennoch, während Visionsentwicklung und Zielsetzung in den letzten 10 Jahren nicht zuletzt dank nationaler Programme wie der Wettbewerb »Zukunftsstadt 2030+« an Popularität gewonnen haben, bildet ein systematisches Nachhaltigkeits-Monitoring auf kommunaler Ebene nach wie vor die Ausnahme (Riedel et al. 2016). »Systematisch« bedeutet hier neben einer Bestandsaufnahme vor der Strategieentwicklung die Auswahl kontextspezifischer Indikatoren zur langfristigen Beobachtung. Solche Prozesse sind zeitintensiv und verlangen spezifische Kompetenzen mit Blick auf die Nachhaltigkeitsmessung, die in vielen Kommunen noch fehlen (Sydow & Kratzmann 2021).
Die Stadt Bottrop kann an dieser Stelle als ein Paradebeispiel für derartige Entwicklungen gesehen werden. Die Stadt hat an zwei Runden des Wettbewerbs »Zukunftsstadt 2030+« teilgenommen und in Zusammenarbeit mit Bürgerschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft eine ganzheitliche kommunale, nachhaltige »Vision 2030+«, orientiert an den 17 Nachhaltigkeitszielen, entwickelt (Stadt Bottrop 2018). Gleichzeitig wurde im Rahmen des Projekts »InnovationCity Ruhr - Modellstadt Bottrop« durch einen bottom-up Prozess eine nachhaltige und energieeffiziente Stadtentwicklung initiiert und implementiert. Das Projekt Innovation City verfolgte das konkrete Ziel, innerhalb von 10 Jahren eine Halbierung der CO2-Emission durch Verhaltensanpassungen, energetische Modernisierung von Gebäuden und (Energie)Effizienzsteigerung in Produktionsprozessen zu erreichen. Während der Zukunftsstadt-Prozess auf Visionsentwürfe ausgelegt war, lagen dem Projekt Innovation City drei konkret Messkonzepte zu Grunde. Neben der CO2-Bilanzierung wurden die Effekte der unternommenen Maßnahmen auf die Wirtschaft und die Lebensqualität untersucht, sodass eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Evaluation der umgesetzten Nachhaltigkeitsmaßnahmen möglich wurde. Diese Messung erfolgte mittels der Auswertung von Daten öffentlicher Statistiken und basierte auf Befragungen durch wissenschaftliche Einrichtungen und nicht durch die Kommune selbst. Um die kommunalen Akteure zu befähigen, selbst Messinstrumente zur Planung und zur Kontrolle, wie im vorherigen Abschnitt definiert, anzuwenden, sind handhabbare Monitoring-Ansätze gefragt, die Nutzen und Aufwand ausbalancieren.
Die Datenerfassung und -aufbereitung auf kommunaler Ebene erfolgt in Deutschland in standardisierter Form. Diese Daten zum Zweck des Nachhaltigkeitsmanagements zu nutzen, bedeutet, Indikatoren zu definieren, die sich aus vorhandenen Daten ableiten lassen oder sich vollständig auf neue Daten beziehen. Bestehende Ansätze stammen – wie auch bei Innovation City – in der Regel aus der Forschung. So wurde im Projekt Bottrop 2018+ zum Beispiel eine sozioökonomische Analyse durchgeführt, die mögliche Handlungsbedarfe für die Wirtschaft identifizierte (Nordhause-Janz 2017, Giustolisi & Terstriep 2020). Die Analyse basierte ausschließlich auf öffentlichen Statistiken, die für die Zwecke des Projektes vom Institut Arbeit und Technik (IAT) zusammengetragen, ausgewertet und dokumentiert wurden. Obwohl die Analyse selbst keinen expliziten Nachhaltigkeitsfokus aufwies, können die gleichen Datenquellen für das Bilden und Berechnen von Nachhaltigkeitsindikatoren genutzt werden (Rabadjieva & Siegel 2020), wie es etwa im Rahmen des vom Faktor 10-Institut für nachhaltiges Wirtschaften entwickelten Messinstruments zum Projekt Bottrop 2018+ erfolgte (Seipel et al. 2018). Das umfangreiche Indikatorenset beinhaltet 62 Indikatoren, von denen sich 47 durch öffentliche Statistiken abbilden lassen. Ein Nachteil dieses Indikatorensets besteht darin, dass es zwar eine breite Palette an Nachhaltigkeitsaspekten abbildet, deren Anwendung allerdings statistische Kompetenzen zur kontinuierlichen Datenerfassung und -analyse voraussetzt, die im Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement in Bottrop nicht vorhanden sind.
Hier setzt das zur gleichen Zeit entwickelte SDG-Indikatorenset der Bertelsmann Stiftung und des Deutschen Instituts für Urbanistik an . Unter Nutzung von 56 Indikatoren zur Abbildung der 17 Nachhaltigkeitsziele bietet die Online-Plattform »SDG-Portal« (www.sdg-portal.de) Kommunen die Möglichkeit zu einer automatisierten, kontinuierlichen Berichterstattung bezüglich ihres Beitrags zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele sowie die Option eines Vergleichs mit anderen Kommunen, ohne dass eigene Berechnungen oder Auswertungen seitens der Kommunen erforderlich sind.
Wie ein Vergleich der sozioökonomischen Analysen des IAT, des Monitoringinstruments des Faktor 10-Instituts und des SDG-Indikatorensets der Bertelsmann Stiftung zeigt, ist die Auswahl der Indikatoren bei allen sehr ähnlich. Dessen ungeachtet lässt sich nicht pauschal beantworten, welche Indikatoren für welchen Standort am besten geeignet sind, da kein allgemeingültiges Nachhaltigkeitsmanagement existiert (Riedel et al. 2016). So gilt es, die Kontextspezifika und konkreten Strategien bei der Indikatorenauswahl zu berücksichtigen. Zudem beinhalten die verwendeten Indikatoren ausschließlich quantitative Daten auf der Makroebene der Kommune. Das Monitoring von Teilsystemen und Fachbereichen wie die Wirtschaft und die Wirtschaftsförderung lassen sich damit nicht abbilden. Hierzu bedarf es gesonderter Überlegungen und der Auswahl geeigneter Indikatoren. Tabelle 2.3 zeigt exemplarisch Nachhaltigkeitsziele und Unterziele, die für die Wirtschaftsförderungsaktivitäten von Relevanz seien können und darüber hinaus mit Indikatoren – die auf Daten öffentlicher Statistiken be-ruhen – hinterlegt werden können.
Um den Beitrag der Wirtschaftsförderung zur Erreichung der Ziele ganzheitlich zu messen, ist jedoch eine Erweiterung dieser statistischen Daten mit alternativen Datenerfassungsmethoden ebenso wie die Kooperation zwischen den Akteuren nötig. So beruhen 14 der vom Faktor 10-Institut identifizierten Indikatoren auf eigenen Erhebungen, die nur durch enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen ermittelt werden können. Beispielhaft zu nennen sind hier der Anteil fairen Handels in der Wirtschaft oder die unternehmensspezifischen Nachhaltigkeitsmaßnahmen zur Prävention, Gleichberechtigung oder zum Umweltmanagement (Seipel et al. 2018). Hierdurch wird der Bedarf zusätzlicher Indikatoren für eine angemessene Abbildung nachhaltigen Wirtschaftens am Standort deutlich. Die Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass nachhaltiges Wirtschaften in öffentlichen Statistiken bis-her nicht systematisch in der notwendigen räumlichen Tiefe abgebildet wird. Wenn aber das Ziel und die Mission darin bestehen, eine ganzheitliche kommunale Transformation in Richtung Nachhaltigkeit zu realisieren, ist das Monitoring des Wirtschaftens unumgänglich. Für die Wirtschaftsförderung bedeutet dies, dass es zukünftig nicht darum gehen wird, die Wirtschaft allgemein, sondern ein nachhaltiges Wirtschaften im Speziellen zu fördern. Wenn es Ziel ist, nachhaltige und resiliente Wirtschaftsstrukturen zu schaffen, ist es Aufgabe der Wirtschaftsförderung, diese Transition als Teil der kommunalen Transformation zu initiieren, zu orchestrieren und die Zielerreichung zu messen, zu evaluieren und gegebenenfalls Prozesse, Strukturen oder Maßnahmen anzupassen. Dies beinhaltet auch die proaktive Entwicklung und Umsetzung von Fördermaßnahmen, die auf die definierten Nachhaltigkeitsziele einzahlen.
In unseren Gesprächen mit Wirtschaftsförder:innen und durch unsere Arbeit in Bottrop konnten wir bereits einige Wirtschaftsförderungsmaßnahmen zur Unterstützung von nachhaltigem Wirtschaften identifizieren, die in der letzten Spalte der Tabelle 2.3 exemplarisch für die jeweiligen Nachhaltigkeitsziele aufgeführt sind. Unsere Umfrage unter deutschen Wirtschaftsförderungen zeigt aber, dass das Thema »nachhaltiges Wirtschaften« noch nicht flächendeckend unter den Prioritäten der Wirtschaftsförderungen zu finden ist (Terstriep & Rabadjieva 2021). Dies deutet darauf hin, dass ein besseres Verständnis über die Inhalte und Monitoringinstrumente des nachhaltigen Wirtschaftens geschaffen werden müssen. Der Folgeabschnitt setzt sich darum mit diesen Themen auseinander.
2.2 Nachhaltiges Wirtschaften – Monitoring der Wirtschaftsaktivitäten
Nachhaltigkeit gilt in Unternehmen einerseits als abstraktes Konzept – als Hype –, und andererseits als Wettbewerbsfaktor (Geßner & Kölle 2016). Dabei obliegt es den einzelnen Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse an Nachhaltigkeitsprinzipien auszurichten und somit nachhaltig zu wirtschaften. Dies geht jedoch über soziales Engagement oder die finanzielle Kompensation von Umweltschäden hinaus und bedeutet, die Kerngeschäftsprozesse ganzheitlich neu auszurichten (Seipel et. al. 2019). Obgleich Nachhaltigkeit als Unternehmenshaltung und -strategie wahrzunehmen und zu »leben« ressourcenintensiv ist (Humankapital, Geld, Expertise etc.), sind Unternehmen vermehrt aufgefordert, nachhaltig zu wirtschaften. So haben sich schon heute die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben für nachhaltiges unternehmerisches Handeln geändert und wer-den sich zukünftig weiter verschärfen (Kapitel 1). Daneben existieren in unterschiedlichen Branchen Nachhaltigkeitsnormen als »anwendbare terminologische Grundsätze, materielle Anforderungen und Grenzwerte« (Rösch et al. 2020, 13), die es seitens der Unternehmen nicht nur zu berücksichtigen gilt, sondern die teilweise auch berichtspflichtig sind. Eine Aufgabe für die nächsten Jahre wird es folglich sein, Nachhaltigkeitsbewertungen in Unternehmen einfacher, transparenter und praktikabler zu gestalten (Geßner & Kölle 2016). Damit gewinnt die Frage, was auf kommunaler Ebene – u.a. durch die Wirtschaftsförderung – als Unterstützung angeboten werden kann, an Relevanz. Um hierauf eine Antwort zu finden, haben wir uns im Rahmen von Bottrop 2018+ damit be-fasst, das Monitoring nachhaltigen Wirtschaftens zu beleuchten (Rabadjieva & Siegel 2020).
Unsere Recherche zeigt, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung eines der zentralen Instrumente auf unternehmerischer Ebene darstellt. Dies gilt nicht nur für die seit 2017 mit der CSR-Richtlinie 2014/95/EU der Europäischen Union verpflichteten großen kapitalmarktorientierten Unternehmen, Banken und Versicherungen (mit mehr als 500 Mitarbeitenden), sondern vermehrt auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die ebenfalls Initiative ergreifen und eigene Nachhaltigkeitsberichte und nichtfinanzielle Erklärungen verfassen. So kommen Nachhaltigkeitsberichte vermehrt als Marketing- und Kommunikationsinstrument zum Einsatz. Daneben können sie große wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen, wenn die Beteiligung in bestimmten Lieferketten zur Disposition steht. Primäres Ziel der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die Schaffung von Transparenz über ökologische und soziale Aspekte, wobei jedes Unternehmen individuelle Schwerpunkte setzt. Die meisten Unter-nehmen greifen auf etablierte umweltbezogene und soziale Standards zurück. Großunternehmen beziehen dar-über hinaus ausgewählte ökologische und soziale Kennzahlen ein und orientieren sich dabei vermehrt an den 17 Nachhaltigkeitszielen (IÖW/future 2019). Für die Abbildung ganzer Lieferketten oder konkreter Unternehmensprozesse spielen anerkannte Auditierungssysteme, Zertifizierungen oder Siegel eine große Rolle. Ein Beispiel ist der Einsatz von Umweltmanagementsystemen.
Umweltmanagementsysteme (UMS) können als Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung verstanden werden und fokussieren sich stark auf Umweltfaktoren. Sie bilden ein freiwilliges Instrument für den vorsorgenden Umweltschutz und gehen daher über das Einhalten von Umweltgesetzen hinaus. Im Vergleich zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die frei gestaltet werden kann, gelten für Umweltmanagementsysteme unterschiedliche Standards, die häufig von externen Auditoren oder Umweltgutachter:innen zertifiziert bzw. validiert werden. Beispiele hierfür sind das bekannte EMAS-System oder der DIN EN ISO Standard. Abhängig von der Branche, Produktion oder Dienstleistung können diverse Aspekte Berücksichtigung finden, die unterschiedlichen Vorschriften unter-liegen (z.B. Treibhausgase nach ISO 14064, Umweltzeichen und -deklarationen nach ISO 14020 oder Product Carbon Footprint nach ISO 14067). Die Unternehmer:innen sollten daher in der Lage sein, zunächst eigenständig die zentralen Themenbereiche für ihren Betrieb zu identifizieren und die passenden Kennzahlen festzulegen. Eine besondere Herausforderung liegt darin, die Wechselwirkungen der einzelnen Themengebiete zu erkennen und zu einem integrativen Managementsystem zusammenzuführen. Zertifikate und Umweltmanagementsysteme bieten hierbei Unterstützung. Diese sind jedoch stark auf die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit fokussiert. Eine weitergehende Sensibilisierung für die sozialen und ökonomischen Dimensionen der Nachhaltigkeit ist daher notwendig. Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass die systematische Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit im Unternehmen mit einem nicht zu unterschätzenden personellen und finanziellen Aufwand einhergeht, den KMU häufig nicht bewältigen können.
Unterschiedliche Hilfsmittel wie Leitfäden[2], Indikatorensets[3] und Webseiten[4] existieren mittlerweile, um Unter-nehmen darin zu unterstützen, die passende Nachhaltigkeitsstrategie für sich zu finden, umzusetzen und über ihre Aktivitäten und Ergebnisse zu berichten. Diese bleiben jedoch oft ein singuläres Ergebnis von Forschungsprojekten oder sind an die Bedarfe von Großunternehmen ausgerichtet. Nachhaltigkeit – in ihrem Dreiklang (ökonomisch, ökologisch, sozial) – sollte sich zu einem integralen Bestandteil unternehmerischen Denkens und Handelns in allen Branchen und Unternehmen jedweder Größe entwickeln. Die Leitfrage sollte sein: »Was kann ich wie und bis wann in Bezug auf die internen Prozesse in meinem Unternehmen und mit Blick auf die Wertschöpfungskette optimieren?«
Vor dem Hintergrund begrenzter Kapazitäten kann die Wirtschaftsförderung insbesondere KMU Hilfestellung leisten, beispielsweise durch die Bereitstellung von Informationen und Beratung zu Zertifizierungen, Siegeln oder Nachhaltigkeitsnormen in den entsprechenden Branchen, sowie durch die Initiierung eines unternehmerischen Austauschs. Die Fairtrade-Town-Initiative im Reallabor »Handel« im Projekt Bottrop 2018+ ist hierfür ein gutes Beispiel.
Die Wirtschaftsförderung hat im Rahmen der Auszeichnung Einzelhändler, Gastronomen und zivilgesellschaftliche Einrichtungen in Bottrop miteinander vernetzt. Diesbezügliche Aktivitäten der Wirtschaftsförderung beinhalteten die Aufklärung über die Ziele der Fairtrade-Bewegung und ihre konkreten Mehrwerte für die einzelnen Akteure sowie die Erklärung der einzelnen Schritte des Auszeichnungsprozesses. Hierdurch ist es gelungen, die Akteure vor Ort für die Initiative zu mobilisieren. Ergebnis dieses Prozesses war die Gründung eines Netzwerks für faires Handeln (s. »Bottrop setzt um« Reallabore und Selbstevaluation ). Der Erfolg der Initiative ist den vorhandenen Kompetenzen und personellen Ressourcen des Amts für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement zu verdanken. Neben diesem kurzfristigen Outcome stellen die Lerneffekte auf Seiten der Akteure vor Ort eine weitere langfristige Wirkung dar. Da die Eckpunkte und Vorgehensweisen anderer Auszeichnungs- und Zertifizierungsprozesse dem der Fairtrade-Town ähneln, können sowohl die Unternehmen als auch die Wirtschaftsförderung ihre Erfahrungen nutzen, um weitere ähnlich gelagerte Prozesse, die z.B. infolge der Verschärfung des Lieferkettengesetzes zu erwarten sind, zu durchlaufen. Gleichzeitig kann das neu gegründete Netzwerk zukünftig genutzt werden, um die Entwicklung des fairen Handels in Bottrop zu messen. So ermöglicht die Kooperation unternehmensbezogene Kennzahlen der Nachhaltigkeit als Pendant zu den Makrodaten der amtlichen Statistik in der Kommune zu erheben, die zur Identifikation von Stellschrauben und Entwicklung passgenauer Maßnahmen und Angebote für die Unternehmen dienen können. Ferner lassen sich diese Daten für das Monitoring der Nachhaltigkeitsstrategie der Wirtschaftsförderung nutzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Unternehmen am Standort mit der Wirtschaftsförderung kooperieren und bereit sind, bestimmte vordefinierte Kennzahlen jährlich zu erheben.
An dieser Stelle lassen sich die Potenziale der Digitalisierung für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien nutzen (Jossin et al. 2017). Digitale Lösungen in Form von Werkzeugen für breite Beteiligungsprozesse (Kapitel 3) oder zur effizienten Datenerfassung können auch für ein Nachhaltigkeits-Monitoring eine Vereinfachung darstellen. So führen die Wirtschaftsförderungen schon heute Unternehmensbefragungen durch, um Handlungsbedarfe zu ermitteln oder sich Feedback einzuholen (Kapitel 3). Diese lassen sich um Nachhaltigkeitsaspekte erweitern. Innerhalb von Bottrop 2018+ wurde beispielsweise eine Umfrage unter den Akteuren der Wirtschaftsallianz durchgeführt, um Wissens- und Datenlücken über Nachhaltigkeitsindikatoren zu schließen (Merten et al. 2019). Auf regulärer Basis durchgeführt, können solche Umfragen das Fehlen von Daten in der öffentlichen Statistik kompensieren und damit im Zeitverlauf eine Vergleichsbasis schaffen sowie helfen, Unternehmen mit Vorbildcharakter zu identifizieren. Die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung solcher Umfragen durch die Wirtschaftsförderung sind allerdings mit einem personellen und finanziellen Mehraufwand verbunden. Auch wäre es erforderlich, dass auf Seiten der Unternehmer:innen die Bereitschaft besteht, sich aktiv mit den eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten auseinanderzusetzen, um die notwendigen Informationen, idealerweise mit konkreten Kenn-zahlen, zu liefern. Im besten Fall können sie dazu auf eigene Nachhaltigkeitsberichte oder Umweltmanagement-systeme zurückgreifen. Wie oben bereits ausgeführt, wird dies bei KMU aktuell eher die Ausnahme sein. Hier bedarf es alternativer Erhebungsmethoden. Denkbar wäre beispielsweise die Etablierung einer Plattform – vergleichbar mit dem Online-Portal für kommunale SDG-Indikatoren der Bertelsmann Stiftung – für die Zielgruppe der Unternehmer:innen am Standort. Anstatt an einer Umfrage teilzunehmen, könnten die Unternehmen auf einer derartigen Plattform die notwendigen Informationen eintragen und somit Daten bereitstellen, um daraus resultierend einen automatisiert erstellten Bericht für das eigene Unternehmen zu erhalten. Eine andere Möglichkeit wären Formen der Datenerfassung, die keiner direkten Beteiligung von Unternehmen bedürfen. Beispielsweise können Drohnenbilder von Gewerbegebieten und Unternehmensgebäuden genutzt werden, um Informationen über Begrünungsmöglichkeiten auf Geländen, Dächern und Fassaden zu ermitteln. Eine Beteiligung der Unternehmen würde erst nach Auswertung der Daten bei der Planung und Umsetzung konkreter Maßnahmen nötig werden.
Die Entwicklung solcher alternativen Erhebungsmethoden erfordert die Zusammenarbeit unterschiedlicher Ak-teure am Standort. Neben der Wirtschaftsförderung als direkter Ansprechpartner für die Unternehmen spielen Umwelt-, Planungs- und Statistikamt sowie die Unternehmerschaft selbst eine wesentliche Rolle. Standortspezi-fisch gilt es abzuschätzen, wie einfach eine Lösung sein sollte bzw. wie komplex sie sein darf. Davon hängen die Entwicklungsdauer, die Anzahl der notwendigen Akteure sowie die Motivation zur Mitwirkung ab. So wird die Entwicklung eines zentralisierten Online-Tools mehr Zeit und Kosten in Anspruch nehmen als die Aufnahme und Auswertung von Drohnenbildern. Erstgenanntes wird allerdings erwartungsgemäß auch einen größeren Mehr-wert für alle Beteiligten und ein komplexes Bild des Stands der Nachhaltigkeit am Standort liefern. Drohnenbilder eignen sich demgegenüber besser für spezifische Maßnahmen. Bei allen Erhebungsmethoden gilt es, eine Balance zwischen Aufwand und Nutzen für alle Beteiligten zu schaffen. In jedem Fall wird ein Mix aus quantitativen, öffentlich zugänglichen Daten und qualitativen, standortspezifische Daten notwendig sein, um ganzheitliche Nachhaltigkeitskonzepte für den Standort zu entwickeln. Dafür ist eine Kooperation im Bereich Datenerfassung und -management unumgänglich. Die Wirtschaftsförderung spielt hierbei als Vermittler, Initiator und Moderator eine zentrale Rolle.
2.3 Nachhaltige Wirtschaftsförderung – Monitoring der Wirtschaftsförderung
Die nachhaltige Wirtschaftsförderung gibt nicht nur die Richtung für die wirtschaftliche Entwicklung vor, sondern ist auch in der Lage, diese zu steuern und ihren Kurs zu überprüfen. Nachhaltigkeits-Monitoring und Evaluation erlauben mittel- und langfristig Transformationspfade nachzuzeichnen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Monitoring nicht als Nebenschauplatz wahrgenommen, sondern von Beginn an, während der Strategie- und Maßnahmenentwicklung, mitgedacht und geplant wird. Dabei gilt es, wie oben ausgeführt, eine Balance zwischen guter Datenlage (quantitative und qualitative Indikatoren) und Erhebungsaufwand zu schaffen, sowie Nachhaltigkeit in der Wirtschaftsförderung vorzuleben. Dies drückt sich u.a. im Verhalten der Wirtschaftsförderungseinrichtungen aus, wenn sie beispielsweise Flächen gezielt an nachhaltige Unternehmen vergeben bzw. deren Ansiedlung genehmigen. Solche Verhaltensvorgaben können in der Formulierung und Umsetzung von eigenen Nachhaltigkeitsstrategien festgehalten und kommuniziert werden. Gleichzeitig gehört es zu einer nachhaltigen Wirtschaftsförderung, die eigenen Prozesse und Maßnahmen regelmäßig zu kontrollieren und zu evaluieren. Die Wirtschaftsförderungen verfügen über einen Steuerungsspielraum, um Strategien zu entwickeln und eigene Maßnahmen und Projekte umzusetzen (Kapitel 4). Die systematische Kontrolle des eigenen Fortschritts wird jedoch oft zugunsten der alltäglichen Aktivitäten (z.B. Beratung) vernachlässigt. Verschärft wird dies, wenn die entsprechenden Kompetenzen bzw. Sprachfähigkeit fehlt. Insofern bedarf es passender Instrumente für die nachhaltige Wirtschaftsförderung, welche die Wirtschaftsförderung zum Monitoring und zur Selbstevaluation befähigen.
Die Selbstevaluation stellt eine besondere Form der Evaluation dar, welche die kontinuierliche Reflexion und Weiterentwicklung der eigenen Arbeit in den Blick nimmt. Ihr zu Grunde liegen »systematische, datenbasierte Verfahren der Beschreibung und Bewertung« (DeGEval, 2004), bei denen die umsetzenden Akteure die gleichen sind, wie jene, die die Prozesse evaluieren. Sie setzt Transparenz, Vertrauen und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden voraus, sowie Gestaltungsspielraum und Verantwortungsdelegation an die Beschäftigten als diejenigen, die operativ umsetzen und entsprechend evaluieren sollen (ebd.). Die Selbstevaluation birgt aber auch das Potenzial, die Nachhaltigkeits- und Monitoringkompetenzen innerhalb der Wirtschaftsförderung zu erweitern und das Wissensmanagement in der Organisation zu verbessern.
Aus der Organisations- und Innovationsforschung sind Werkzeuge bekannt, die eine Selbstevaluation ermöglichen. Auf dieser Basis wurde seitens des IAT ein Werkzeugkasten mit ca. 20 Werkzeugen für die Wirtschaftsförderungsaktivitäten erstellt. Der Werkzeugkasten basiert auf fünf Jahren Aktionsforschung in Bottrop, in dessen Rahmen der Zukunftsplan als Strategie für die Wirtschaftsförderung konzipiert, das Reallabor als Experimentierraum für die Wirtschaft ausprobiert (s. »Bottrop setzt um«Reallabore und Selbstevaluation) und die Wirtschaftsförderung selbst als Organisation weiterentwickelt wurde. Unsere Aktivitäten haben gezeigt, dass handhabbare Werkzeuge zur Wissensdokumentation und zum Wissensmanagement, zur Identifikation relevanter Themen und Schnittstellen, zur Entwicklung von Ideen und Projekten in Kleingruppen sowie zum Monitoring und zur Evaluation benötigt werden. Wurden vielfältige Aktivitäten und Prozesse im Rahmen von »Bottrop2018+« durch das IAT moderiert, zielte die Erprobung der Werkzeuge darauf ab, die Mitarbeitenden im Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement zu befähigen, über die Projektlaufzeit hinaus ohne externe Moderation die angestoßenen Prozesse weiterzuführen.
Die Werkzeuge wurden beispielsweise zur Evaluation der drei Reallabore eingesetzt. Das Ziel der Evaluation lag darin, zu reflektieren, ob und in welchem Ausmaß die gesetzten Ziele erreicht wurden, welche Wirkung die Maßnahmen für die einzelnen Zielgruppen, Stakeholder und den Standort haben und wie diese Wirkungen gemessen werden können. Durch Maßnahmensteckbriefe und Reflexion haben die Mitarbeitenden die wesentlichen Erfolge, Herausforderungen und Lerneffekte der Reallabore dokumentiert. Auf dieser Basis wurden die kurz-, mittel- und langfristigen Wirkungen der angestoßenen Prozesse und Projekte mittels einer Überprüfung der Wirklogik bewertet. All diese Methoden setzen auf qualitative Vorgehensweisen. In der Planungsphase erlauben Werkzeuge wie der Datenerhebungsplan darüber hinaus Kennzahlen und Monitoringmethoden festzulegen, die eine quantitative Überprüfung der gesetzten Ziele ermöglichen. Dafür ist es aber notwendig, im Voraus die zu messenden Indikatoren zu definieren und die Daten kontinuierlich zu erfassen.
Da das Ziel vom Bottrop 2018+ darin lag, eine Nachhaltigkeitstransformation am Wirtschaftsstandort einzuleiten, wurden die Wirkungen der Reallabore anhand der drei Dimensionen – ökonomisch, ökologisch und sozial – be-wertet. Im Ergebnis zeigt sich, dass die in den Reallaboren der zweiten Projektphase durchgeführten Maßnahmen primär auf die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit einzahlen, während die ökologische Dimension lediglich punktuell und indirekt adressiert wurde. Werden jedoch die weiteren innerhalb des Amtes für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement durchgeführten bzw. anstehenden Projekte und Maßnahmen in die Betrachtung miteinbezogen, ergibt sich ein ausgewogenes Bild für die Wirtschaftsförderung als Ganzes. Wie in Abbildung 2.2 ersichtlich, macht die ökologische Nachhaltigkeit einen wesentlichen Teil der wirtschaftsfördernden Aktivitäten innerhalb von Kooperationsvorhaben (zirkuläre Wertschöpfung und E-Mobilität), Beratungsaktivitäten (Ökoprofit) und Strategieentwicklungsprozessen (Zukunftsplan bzw. »Klimaneutrale Stadt 2035«) aus und wird zukünftig verstärkt eine Rolle spielen. Das betonten die Mitarbeitenden selbst im Rahmen eines gemeinsamen Workshops. In jedem der aktuellen Arbeitsbereiche der Wirtschaftsförderung wurden Nachhaltigkeitsaspekte identifiziert, die es künftig zu berücksichtigen gilt und deren Bearbeitung zusätzliche Kompetenzen der Mitarbeitenden bedürfen. Auf Seiten der Mitarbeitenden wurde nicht nur der Bedarf, sondern auch die Bereitschaft zur Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen geäußert. Daneben wurde der Wunsch geäußert, eine/n »Umweltlotse:in« in der Kommune zu etablieren, der/die die Wirtschaftsförderung im Bereich ökologische Nachhaltigkeit unterstützt. Dies deutet darauf hin, dass eine stärkere Zusammenarbeit in der Verwaltung von den Mitarbeitenden gewünscht wird, um gemeinsam die nachhaltige Entwicklung der Kommune vorantreiben zu können. Unbestritten ist, dass die Wirtschaftsförderung die Transformationsprozesse nicht allein steuern kann. Vielmehr geht es darum, den eigenen Verantwortungsbereich zu definieren, diesbezügliche Aktivitäten zu übernehmen und die Ergebnisse in die gesamtstädtischen Aktivitäten rückzukoppeln. Nur so lässt sich ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept erfolgreich realisieren. Dies könnte mit der Notwendigkeit einer strukturellen Neuausrichtung der eigenen Organisation einhergehen, um die Wirtschaftsförderung mit Blick auf ihre Nachhaltigkeitsaufgaben effizienter zu gestalten (Kapitel 4).
2.4 Resümee
Durch die Arbeit am Monitoring der nachhaltigen Wirtschaftsförderung wurde deutlich, dass eine nachhaltige Kommunalentwicklung nur in Zusammenarbeit aller Akteure gelingen kann. Alle Akteure – Wirtschaft, Wissenschaft, Wirtschaftsförderung, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft – sollten im Prozess beteiligt werden, ihren jeweiligen Aufgabenbereich identifizieren, steuern und messen können, um die quantitativen gesamtstädtischen Daten mit qualitativen Daten aus der Umsetzung einzelner Maßnahmen/Projekte und der Unternehmer:innenschaft bereichern zu können. Die Aufgabe des Monitorings nachhaltigen Wirtschaftens als Teil der nachhaltigen Kommunalentwicklung liegt dementsprechend bei der Wirtschaftsförderung als Schnittstelle zwischen Verwaltung und Unternehmen. Neben Sensibilisierungsmaßnahmen und der Förderung des nachhaltigen Wirtschaftens auf Unternehmensebene beinhaltet dies – dort, wo möglich – die Kooperation mit und Beteiligung von Unternehmen bei der Datenerfassung und die Abbildung des nachhaltigen Wirtschaftens auf kommunaler Ebene. Gleichzeitig gilt es, die Prozesse und Maßnahmen der Wirtschaftsförderung selbst im Blick zu behalten, so dass die Nachhaltigkeit innerhalb der Wirtschaftsförderung und ihrer Aktivitäten als Vorbild gesichert werden kann.
Die Unterscheidung zwischen Kommune, Wirtschaft und Wirtschaftsförderung in diesem Kapitel zeigt, dass Partizipation nach innen und außen unabdingbarer Bestandteil des Monitorings und der Evaluation ist. Idealerweise werden Kommunen zukünftig über zentrale Datenaufbereitungsstellen verfügen, die die nachhaltigkeitsbezogenen Daten aller Fachbereiche zur Verfügung stellen können. Die gemeinsame Datenerfassung wird Zeit und Ressourcen sparen, die Lücke zwischen gesamtstädtischen Makro- und unternehmerischen/wirtschaftsförderungsinternen Mikro-Daten füllen und im Idealfall als Grundlage für die Dauerbeobachtung der nachhaltigen Transformation dienen. Neben Strategieentwicklung und Datenerfassung spielt Partizipation aber auch bei allen anderen Wirtschaftsförderungsaktivitäten eine große Rolle. Deshalb befasst sich das nächste Kapitel mit den unterschiedlichen Facetten der Partizipation in der Wirtschaftsförderung.
[1] https://www.innovationsplattform-zukunftsstadt.de/zukunftsstadt/de/home/home_node.html (letzter Zugriff: 23.02.2022).
[2] https://www.uni-bremen.de/fileadmin/user_upload/fachbereiche/fb7/nm/Dokumente/Nachhaltigkeitscheck.pdf (letzter Zugriff 25.02.2022).
[3] https://www.globalreporting.org/ (letzter Zugriff 25.02.2022).
[4] https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de (letzter Zugriff 25.02.2022).
Literatur
DeGEval (2004). Empfehlungen zur Anwendung der Standards für Evaluation im Handlungsfeld Selbstevaluation. Alfter: Deutsche Gesellschaft für Evaluation e. V.
Geßner C., Kölle A. (2016). Wie gelingt nachhaltiges Wirtschaften im Alltag?. In P. Buchenau, M. Geßner, C. Geßner & A. Kölle (Hrsg.). Chefsache Nachhaltigkeit. Wiesbaden: Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11072-7_1.
Giustolisi, A. & Terstriep, J. (2020). Aktualisierung der sozioökonomischen Analyse der Stadt Bottrop. Bericht des Projekts »Bottrop2018+ - Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstruktur«. FONA, Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
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