Partizipative Ansätze – Transfer & Verwertung
Hintergrund und Zielsetzung: Die in den vorherigen Kapiteln aufgezeigten Herausforderungen lassen künftig einen weiteren Bedeutungszuwachs von Nachhaltigkeit, Resilienz und partizipativer Governance in der Wirtschaftsförderung erwarten. Basierend auf unseren bisherigen Erfahrungen aus den fünf Jahren Aktionsforschung in Bottrop wissen wir, dass die Etablierung partizipativer Governance Zeit braucht. Es handelt sich um einen mittel- bis langfristigen Prozess, der Commitment, Flexibilität und Offenheit seitens der Akteure verlangt. Ein übergeordnetes Ziel in der zweiten Projektphase war es deshalb, ein praxistaugliches, modulares Transferkonzept zu erarbeiten, welches es ermöglicht, die in Bottrop gesammelten Erfahrungen und somit den Ansatz der partizipativen Governance auf die Wirtschaftsförderungen anderer Kommunen und Regionen zu übertragen. Dabei wurde zwischen Strukturen, Prozessen und Instrumenten differenziert. Ferner sollte das Transferkonzept berücksichtigen, dass sich die Wirtschaftsförderungen in Deutschland durch eine große Heterogenität in Bezug auf die organisationale Verankerung, die Aufgabenzuschnitte sowie ihre standortspezifischen Rahmenbedingungen auszeichnen.
Um diesen Aspekten Rechnung zu tragen, wurde der Ansatz der »partizipativen Governance« zunächst aus dem Kontext des Standorts Bottrop herausgelöst und jene Faktoren identifiziert, die sich für einen Transfer in andere Kommunen bzw. Regionen eignen. Nach dem ursprünglich geplanten Vorgehen sollte dieser de-kontextualisierte Ansatz in zwei bis drei Kommunen übertragen werden. Die COVID-19-Pandemie erforderte eine Anpassung des geplanten Vorgehens. Aus diesem Grundwurde ein digitalbasiertes Transferkonzept entwickelt, das eine größere Reichweite versprach.
Ein solches Transferkonzept dient dazu, zentrale Gelingungsfaktoren für die erfolgreiche Initiierung partizipativer Wirtschaftsförderung zu identifizieren, geeignete Aktivierungsansätze zur Mobilisierung der lokalen Akteure zu bestimmen, ein geeignetes Vorgehensmodell zur Umsetzung zu definieren und praktikable Governancestrukturen in dem Kontinuum von Selbststeuerung und Koordination zu beschreiben.
Durchführung: Im Ergebnis wurde ein vierstufiges Vorgehen zum Transfer und zur Verwertung der partizipativen Ansätze entwickelt:
Ergebnisse: Die Online-Umfrage zeigte, dass sich die Wirtschaftsförderung in Deutschland heute nicht nur durch vielfältige organisationale Strukturen auszeichnet, sondern zugleich durch ein komplexes Gefüge von Interaktionen unterschiedlichster Akteure aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Bürgerschaft am Standort. Weiterhin ergänzen sich die Beteiligungsprozesse kommunaler und regionaler Wirtschaftsförderungen komplementär. Zugleich gilt es dabei, die Wirtschaftsförderungsaktivitäten der unterschiedlichen Akteure zu koordinieren und transparenter zu gestalten (Terstriep & Rabadjieva 2021).
Die Interviews veranschaulichten, dass die Wirtschaftsförderung stets an Strategieentwicklungsprozessen am Standort beteiligt wird. Ihre Schnittstellenrolle zwischen allen Akteuren am Standort wurde bestätigt. Dennoch wurde auch klar, dass, obwohl Unternehmen durch eine Vielzahl an Formaten beteiligt werden, Beteiligung/Partizipation vielfach mit Kooperation und der Zusammenarbeit mit Stakeholdern gleichgesetzt wird. Eine Ausdifferenzierung des Partizipationsbegriffes erweist sich als notwendig, um die Funktion und Auswirkung von Partizipation im Kontext der Wirtschaftsförderung besser zu verstehen (Rabadjieva & Terstriep 2021).
In den Online-Werkstätten wurden einige Aspekte konkreter aufgegriffen. So ist für die Teilnehmenden unstrittig, dass Resilienz ein Ziel sei, das die Akteure am Standort gemeinsam verfolgen und erreichen sollen. Die Angst, Unternehmen zu fordern, solle seitens der Wirtschaftsförderung überwunden werden, lautete eine weitere Botschaft. Die Teilnehmenden sahen eine Vielzahl an Mehrwerten in einer verbesserten Transparenz von Prozessen und Aktivitäten. Höhere Akzeptanz in Politik und Öffentlichkeit, Image und Aufmerksamkeit, Aktivierung von Ressourcen und Akteuren, sowie Vertrauensbildung wurden genannt. Zudem wurde eine Kultur der offenen Kommunikation auch innerhalb der Wirtschaftsförderung als Team als essenziell unterstrichen. Eine angemessene Dokumentation von Informationen, Austausch von fachlichem und Spezialwissen, sowie eine gewisse Fehlertoleranz helfen Wirtschaftsförderungen, effiziente und zielgerichtete Einrichtungen zu werden.
Zum Weiterlesen:
Terstriep, J. & Rabadjieva, M. (2021). Beteiligungsprozesse in den deutschen Wirtschaftsförderungen. Ergebnisse der Befragung von Wirtschaftsförderungseinrichtungen in Deutschland. Bericht des Projekts «Bottrop2018+ - Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstruktur - Verstetigung der partizipativen Governance». FONA, Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Online abrufbar.
Rabadjieva, M. & Terstriep, J. (2021). Wie gelingt partizipative Wirtschaftsförderung? Ergebnisse der Interviews mit Wirtschaftsförderungseinrichtungen in Deutschland. Bericht des Projekts »Bottrop2018+ - Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstruktur - Verstetigung der partizipativen Governance«. FONA, Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Online abrufbar.
Rabadjieva, M. & Terstriep, J. (2022). Warum und wie zur partizipativen Wirtschaftsförderung? Ergebnisse aus drei Online-Werkstätten mit Wirtschaftsförderer:innen. Kurzbericht des Projekts »Bottrop2018+ - Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstruktur - Verstetigung der partizipativen Governance«. FONA, Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Online abrufbar.