SCRUM FÜR DIE WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG
Format | Methode zur Prozessmanagement |
Ziel | Interaktive Problemlösung |
Zielgruppe | Mitarbeitenden der Wirtschaftsförderung |
Stakeholder | Die Wirtschaftsförderung als Organisation (Führung und Mitarbeitende) |
Rollen | Projektverantwortliche, Moderator, Teammitglieder und externe Experten (Kund:innen, Verwaltung, Politik, Intermediäre etc.) |
Notwendige Ressourcen | Offenheit und Veränderungsbereitschaft |
Weitere Informationen | Bornewasser, M. (2020). Agile Organisation: Kalter Kaffee oder neue Erfolgsformel? In Barthel, C. (Hg.). Managementmethoden in der Verwaltung. Sinn und Unsinn. Wiesbaden: Springer Gabler, 59-91. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26530-4_3 . Fowler, F. (2019). Navigating Hybrid Scrum Environments. Understanding the Essential, Avoiding the Pitfalls. Berkley, CA: Apress. https://doi.org/10.1007/978-1-4164-6 |
Ursprung
Erfunden wurde die »Scrum« von den beiden US-Amerikanern Jeff Sutherland und Ken Schwaber in den frühen 1990er-Jahren im Kontext der Softwareentwicklung als eine Methode des Organisationsmanagements (Fowler 2019). Sie beschreibt ein Prozessmodell der interaktiven Problemlösungsfindung bzw. Produktentwicklung in selbstorganisierten Teams basierend auf standardisierten Rollen, Vorgehensweisen, Techniken und Abläufen. Das Team führt sog. »Sprints« (zeitlich beschränkte Lösungszyklen) durch und präsentiert kontinuierlich Zwischenergebnisse nach vordefinierten Zielsetzungen bis ein Endergebnis erreicht wird.
Leitprinzipien
Nach der Scrum-Vorstellung von Bornewasser (2020) können die Leitprinzipien der Scrum-Methode unter Transparenz, Zusammenhalt und Kooperation zusammengefasst werden. Die Teams bestehen aus Mitarbeitenden, die selbstorganisiert Aufgaben zur Erreichung des Gesamtziels – zu entwickelnde Lösung – erledigen und sich gegenseitig regelmäßig (täglich, wöchentlich, monatlich etc.) über Fortschritte, Schwierigkeiten, Erfolge und Misserfolge informieren. Die Regelmäßigkeit des Austausches und die Offenheit der Teammitglieder sichern eine frühzeitige Anpassung von Prozessen und Zielen sowie eine zeitnahe Unterstützung für den Fall von Personalausfälle oder Überforderung. Zugleich werden die Kund:innen in den Lösungsentwicklungsprozess involviert (Ko-Produktion). Somit verbindet Scrum die strategische und operative Ebene in einer Organisation. Systementwurf, Budgetfestlegung und Risikoabwägung erfolgen auf der strategischen Ebene und werden mit der operativen Ebene abgestimmt. Gemeinsam werden die Anforderungen reflektiert, die Aufgaben verteilt und die einzelnen Arbeitsschritte bzw. Fristen geplant. Etablierte Techniken und Austauschformate wie Jours fixes müssen nicht zwangsläufig durch neuartige Austauschformate ersetzt werden. Vielmehr sollen der grundlegende Gedanke des Austauschs und das Teamgefühl gestärkt werden. Die systematische Reflexion und die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen sind unabdingbare Bestandteile des Prozesses.
Rollen
Die Zusammensetzung des Teams – aus fachlicher und zwischenmenschlicher Perspektive – ist entscheidend für das Gelingen des Prozesses. Der/die »Scrum Master:in« als Change Agent ist der/die Prozessverantwortliche und moderiert das Team. Seine/ihre Rollen besteht darin, die Einhaltung von Regeln und Fristen im Prozess zu kontrollieren, ohne sich inhaltlich an der Lösungsfindung zu beteiligen. Damit entfällt die Rolle der klassischen Teamleitung. Die »Teammitglieder« erarbeiten die Endlösung/Produkt in Kooperation mit Kunden/Nutzer und der/die »Projekteigner:in« (Product/Project Owner) balanciert die Interessen der Organisation (hier der Wirtschaftsförderung) und der Zielgruppe (z.B. Unternehmen) aus, ermittelt die Bedarfe der Zielgruppe und fungiert damit als »Außenkontakt«.
Artefakte
Neben den drei Rollen sieht die Scrum-Methode eine Reihe sog. »Artefakte« vor. Hierbei handelt es sich um Instrumente und Techniken zur effizienten Gestaltung des Ablaufs. Wie in nachfolgender Abbildung grün dargestellt, zählt hierzu das »Projekt Backlog«, welches die Anforderungen an das Projekt listenartig – basierend auf der Projektvision und den »User Stories« bündelt und von dem/der Projekteigner:in erstellt wird. Im »Sprint Backlog« fasst das Scrum Team die im Rahmen des Sprints zu erledigenden Aufgaben zusammen. Das »Scrum Board« (Aufgabentafel) stellt den aktuellen Stand des Sprints übersichtlich dar, in dem zwischen allen Aufgaben, die im Sprint zu erledigen sind (»To do«), den aktuell bearbeiteten Aufgaben (»Doing«) und allen Aufgaben, die bereits abgeschlossen wurden (»Done«) differenziert wird. Das »Sprint Burndown Chart« kann genutzt werden, um die im Sprint noch zu erledigenden Aufgaben in eine zeitliche Abfolge zu bringen. Das »Projekt Inkrement« ist die Lösung in ihrem aktuellsten Zustand inklusive allem, was im Sprint umgesetzt wurde.
Events
Zur optimalen Koordination des Scrum Teams sind eine Reihe von Scrum Meetings/Events vorgesehen. Wie in nachfolgender Abbildung rot dargestellt, erfolgt zunächst ein initiales Sprint Planungstreffen, in dessen Rahmen aus der Anforderungsliste an das Projekt, dem »Projekt Backlog« die im Rahmen des Sprints zu erledigenden Aufgaben abgeleitet werden. Während der Durchführung des Sprints finden tägliche rund 15-minütige »Scrum Meetings« statt, um im Team zu klären, was am Vortag erledigt wurde und was als nächstes ansteht. Das »Sprint Review Meeting« sollte am Ende eines jeden Sprints stattfinden, um das Erreichte im Team zu reflektieren und ggfs. den »Projekt Backlog« anzupassen. Ziel des »Sprint Retrospektivmeetings« ist es die Performance des gesamten Teams zu bewerten, um Verbesserungspunkte auch mit Blick auf die Zusammenarbeit, zu sammeln, die im nächsten Sprint berücksichtigt werden können und diese zu priorisieren.
Anwendung in der Wirtschaftsförderung
Die Scrum-Methode als Prozessmodell findet mittlerweile jenseits der IT-Branche Anwendung. Sie hat sich als gängige Praxis in Industrie, Start-ups, Akzeleratoren etabliert und ist punktuell auch in der Verwaltung und konkret der Wirtschaftsförderung im Einsatz. Das Projekt »Prosperkolleg« (→ Praxisbeispiele) beispielsweise setzt die Methode zur Projektsteuerung unter der Leitung der Hochschule Ruhr-West ein. Während der dritten Online Werkstatt zum Projekt »Bottrop 2018+« teilte ein Wirtschaftsförderer mit, seine Organisation nach der Srcum-Methode zu managen. Dabei werden Wochen-, Monats- und Halbjahres-Scrums zu projektbezogenen Themen durchgeführt, in denen alle Mitarbeitenden in verkürzter Form zum Stand der Wochen-, Monats- und Halbjahresziele berichten. Zugrunde liegt jedoch eine Jahres- (oder langfristig angelegte) Strategie für die Wirtschaftsförderungsaktivitäten.
Mit seinen Grundprinzipien und Vorgehensweise bietet die Scrum-Methode dem Management einer Organisation bzw. der Wirtschaftsförderung ein Werkzeug zur Strategieumsetzung und Controlling und den Mitarbeitenden – Autonomie und Partizipationsmöglichkeiten. Durch die klaren Vorgehensweisen, Transparenz und Zusammenhalt wird ein Teamgefühl erzeugt und es kann schnell und mit wenig Aufwand eine Übersicht über die laufenden Prozesse und Projekte, Erfolge und Schwachstellen gesichert werden. Zugleich verlangt die Methode aber auch einen hohen Grad an Committment, Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft seitens der Mitarbeitenden. Der Prozess ist kein Selbstläufer, sondern verlangt vor allem zu Beginn Disziplin und ein Bewusstsein dafür sich in dieser ungewohnten Form auszutauschen.
Beitrag von:
Judith Terstirep, IAT
Maria Rabadjieva, IAT