Partizipation ist kein Selbstzweck, aber lasst uns mal machen!

10 Schritte zur partizipativen Wirtschaftsförderung

Maria Rabadjieva, Judith Terstriep
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen
Institut Arbeit und Technik

Was braucht es, damit partizipative Wirtschaftsförderung gelingen kann? Die Antwort auf diese Frage steckt in den Standortspezifika von Städten und Regionen. Theoretische Ansätze und Konzepte liefern wichtige Hinweise, wie die Initiierung partizipativer Prozesse unterstützt werden kann. Noch wichtiger sind jedoch die standortspezifischen Faktoren, u. a. die Zusammensetzung der Wirtschaftsakteure, Governance-Strukturen, bestehenden Netzwerken, Motivation und Vertrauen. Der folgende Beitrag beleuchtet diese Faktoren und formuliert – basierend auf den Erfahrungen aus dem Projekt »Bottrop 2018+« – praxisorientierte Handlungsempfehlungen.

Dieses Buch beschäftigt sich mit partizipativen Ansätzen der Wirtschaftsförderung (Wirtschaftsförderung i. w.S.) zur nachhaltigen und resilienten Gestaltung lokaler Wirtschaftsstrukturen. Untrennbar verbunden mit der Neuausrichtung wirtschaftlicher Strukturen und damit verbundener Governance-Strukturen ist die Frage nach dem »warum« und »wie«.

Die Antwort auf die Frage nach dem »warum« ergibt sich aus den sozioökonomischen Veränderungen der letzten Jahre, d. h. den wirtschaftlich-technischen Entwicklungen und den daraus abgeleiteten gesellschaftlichen Veränderungen. Der demografische Wandel und der daraus resultierende Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, finanziell angespannte Kommunalhaushalte, die Schaffung von Wirtschaftsstrukturen, die weniger anfällig für externe Schocks sind oder die zunehmende Relevanz von Nachhaltigkeit sind nur einige Beispiele für die Herausforderungen, denen die regionale / lokale Wirtschaftsförderung heute gegenübersteht. Nicht zuletzt aus den vorgenannten Gründen sind die Aufgaben der Wirtschaftsförderung vielfältiger und komplexer geworden (Markert 2018, Lahner 2017). Es gilt die Attraktivität des Standortes über die lokalen Grenzen hinaus zu stärken, sich im regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerb zu positionieren, Gründungen zu fördern sowie den Ausbau der Breitbandversorgung, neue technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Trends aufzugreifen und für den Standort relevante Handlungsoptionen aufzuzeigen. Diese Aktivitäten bilden nur einen Auszug aus dem komplexen Tätigkeitspektrum der Wirtschaftsförderung. Neben den exogenen, von außen (jenseits des Standorts) wirkenden Rahmenbedingungen sind es aber auch endogene, von innen wirkende Bedingungen am Standort, welche die etablierten Wirtschaftsförderungsstrukturen vor neue Herausforderungen stellen. Vermehrt fordern Unternehmen sowie weitere lokale Akteure, aktiv an der Gestaltung der strategischen Ausrichtung des Wirtschaftsstandortes beteiligt zu werden. Dieser Komplexität können die traditionellen Wirtschaftsförderungsstrukturen (Wirtschaftsförderung i.e.S.) alleine nicht mehr gerecht werden. Gefragt sind Strukturen und Ansätze, die geeignet sind, den Anforderungen von innen und außen zu begegnen und relevante Akteure (aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kommunen, Politik, Zivilgesellschaft etc.) aktiv einzubinden (Wirtschaftsförderung i.w.S.; Welschhoff & Terstrip 2017b; Rehfeld 2012; Gärtner 2004).

Der zweite Teil der Antwort auf die Frage nach dem »warum« ergibt sich aus dem direkten Mehrwert einer solchen Neuausrichtung der Wirtschaftsstrukturen. An erster Stelle wird es den lokalen Akteuren ermöglicht ihr Wissen, ihre Kapazitäten und andere Ressourcen zur Unterstützung der lokalen wirtschaftlichen Entwicklung zu bündeln. Somit können Ressourcenbeschränkungen überwunden, Synergien genutzt und Redundanzen vermieden werden. Gefragt ist dabei kooperatives Management – nicht die Förderung individueller Interessen. Die Akteure sollen keine isolierten Maßnahmen durchführen, sondern sich gemeinsam der Entwicklung der lokalen Wirtschaft widmen. Nur so können nachhaltige und resiliente Wirtschaftsstrukturen geschaffen werden (Lahner 2017, Bröckel 2016, Brandt 2014).

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, »wie« eine solche Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung einschließlich der Etablierung passgenauer Governance-Strukturen gelingen kann. Die Antwort wird in partizipativen Governancemechanismen gesehen, die einen langfristigen, zeitintensiven Prozess darstellen und sich auf Analysen, Einsichten und vor allem Vertrauen zwischen den lokalen Partnern gründen (Lahner & Neubert, 2016). Nicht der Ansatz partizipativer Governance steht im Mittelpunkt dieses Beitrags (s. Merten et al. zum Ansatz Bottrop 2018+), sondern vielmehr jene Faktoren, die vor und während der Umsetzung zu berücksichtigen sind, um Partizipationsprozesse mit Wirtschaftsakteuren erfolgreich zu gestalten. Ausgangspunkt dafür bildet ein Umdenken mit Blick auf das Verständnis von Governance (Abschnitt 2), ebenso wie notwendige Gelingungsfaktoren (Abschnitt 3). Auf dieser Basis können Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, welche die Umsetzung partizipativer Governance-Ansätze bzw. den Weg zur Transition lokaler Wirtschaftsstrukturen ebenen können. Am Beispiel der Stadt Bottrop bietet dieser Beitrag einen Orientierungsrahmen für Praktiker in 10 Schritten, partizipative Governance-Ansätze in der lokalen Wirtschaftsförderung umzusetzen (Abschnitt 4).

Governance neu denken

Der englische Begriff »Governance« wird häufig in Abgrenzung zu Regierung (»Government«) und regieren (»governing«) diskutiert (Davis, 2002). Während unter »Regieren« alle Aktivitäten gefasst werden, die von einer einzelnen Staatseinheit, beispielsweise einer Kommune unter Selbstverantwortung ausgeführt werden, wird Governance als ein Prozess verstanden, bei dem mehrere Akteure organisiert werden, um eine gemeinsame Vision und bestimmte Aktivitäten zu gestalten (ebd.). Im deutschen Kontext unterscheidet Fürst (2003) ebenfalls zwischen Selbststeuerung und regionaler Governance. Selbststeuerung bezieht sich auf politisch-administrative Akteure und Institutionen, die vom Staat delegierte Aktivitäten erfüllen, während regionale oder lokale Governance im Allgemeinen als eine »weiche« Form der Selbststeuerung und als Netzwerk definiert werden kann. Als solche umfasst sie öffentliche (Politik, Verwaltung) und soziale Akteure (Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft), verschiedene Organisationsformen (Wettbewerb, Kooperation, Hierarchien), unterschiedliche Regionen (funktional, territorial, symbolisch) und Spezialebenen (lokal, regional, national, europäisch; Welschhoff & Terstriep 2017a). Dieses umfassende Verständnis von Governance beschreibt das gesamte Spektrum der Interaktionsmuster und -modi kollektiven Handelns. Governance wird hier nicht aus einer normativen Perspektive (als »Good Governance«) verstanden, sondern als analytische Kategorie, um Prozesse der Selbstorganisation zu untersuchen. In diesem Zusammenhang steht der »partizipative Governance-Ansatz« im Gegensatz zu den etablierten Wirtschaftsförderungspraktiken. Die lokale Wirtschaftsförderung bezeichnet dabei eine branchenübergreifende Aufgabe, die nur durch Einbeziehung und Vernetzung aller relevanten Stakeholder erreicht werden kann (Zwicker-Schwarm, 2013). Dies er fordert neue, nichthierarchische Formen der Prozessorganisation (Jann 2006), die an die Selbstorganisationskompetenzen nichtstaatlicher Akteure (Wiesenthal 2006) anknüpfen und auf Kooperation und Koproduktion abzielen.

In solchen Governance-Konzepten verschiebt sich die Rolle der etablierten Wirtschaftsförderungsstrukturen. Zu den klassischen Aufgaben, wie der Bestandspflege und Neuansiedlung, der Entwicklung und Vermittlung von Gewerbeflächen, Standortmarketing etc., kommen neue, wie das Netzwerkmanagement, die Sicherung und Akquise von Fachkräften, die Sensibilisierung und Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Bewältigung der mit »Industrie 4.0«/Digitalisierung verbundenen Herausforderungen hinzu (Markert 2018). Die Rolle der Wirtschaftsförderung i. e.S. besteht darin, die Transition [1] der lokalen Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen und resilienten Entwicklung zu steuern. Nachhaltigkeit wird dabei im iterativen Sinne als Dreieck zwischen Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft verstanden (Kleine 2009). Es ist ein dynamischer Prozess im System und keine Endphase. Solche Systeme sind resilient, wenn sie im Störungsfall in der Lage sind, die gewünschten Funktionen aufrechtzuerhalten oder schnell wiederzuerlangen, sich an Veränderungen anzupassen und sich in Systeme zu verwandeln, die die aktuelle oder zukünftige adaptive Kapazität nicht mehr einschränken (Meerow & Newell, 2015). Derartige Transitionsprozesse erfordern eine flexible Form der Prozesssteuerung, die einerseits mehrere lokale Akteure und Interessengruppen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zusammenbringt und andererseits in der Lage ist, Themen und Probleme nachhaltig und effektiv zu bearbeiten. Eine iterative, kooperative bzw. partizipative Governance ist ein solcher Ansatz, der die Problemlösungsfähigkeit und die Fähigkeit zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Wirtschaftsstrukturen stärken kann. Eine Änderung der Richtlinien und Strategien reicht in diesem Kontext jedoch nicht aus. Ein Umdenken, Wertewandel und die aktive Beteiligung städtischer Akteure sind ebenso erforderlich wie eine langfristige Perspektive anstelle kurzfristiger Aktivitäten (Welschhoff & Terstriep 2017b).

Um die Balance zwischen Offenheit und Steuerung zu gewährleisten, muss unter anderem eine langfristige Perspektive (mind. 25 Jahre) eingenommen werden, die den Rahmen für kurzfristige Politik bildet.

Ein in den Niederlanden entwickelter und getesteter Ansatz ist das Transitionsmanagement (Loorbach & Rotmans 2009), das durch einen partizipativen und iterativen Prozess des Visionierens, Lernens und Experimentierens nachhaltige Transition erleichtern und beschleunigen soll (Foxon et al., 2008, Rotmans et al al., 2001, Meadowcroft, 2009). Transition wird dabei als ein mehrphasiger Mehrebenenprozess verstanden, der durch externe Veränderungen oder Innovationen in den etablierten Strukturen und Praktiken ausgelöst wird. Wenn die betroffenen Akteure ein gemeinsames Verständnis des Ursprungs, der Art und der Dynamik von Veränderungen teilen, sind sie in der Lage, dies besser zu antizipieren, sich daran anzupassen sowie die Richtung und Geschwindigkeit der Veränderung zu beeinflussen (Loorbach, Frantezeskaki & Huffenreuter, 2015). Um dieser grundlegenden Annahme gerecht zu werden, bewegt sich das Transitionsmanagement im Spannungsfeld von Veränderung als unsicherer, offener Prozess einerseits und dem Bestreben diesen zu »steuern« andererseits. Um die Balance zwischen Offenheit und Steuerung zu gewährleisten, muss unter anderem eine langfristige Perspektive (mind. 25 Jahre) eingenommen werden, die den Rahmen für kurzfristige Politik bildet: Setzung kurzfristiger (operativer) Ziele basiert auf langfristigen (strategischen) Zielen und der Antizipation künftiger Entwicklungen durch die Erarbeitung von Szenarien. Diese Ziele sollen flexibel und anpassbar formuliert sein (iterativer Prozess). Darüber hinaus gilt eine »Steuerung von außen« als nicht effektiv. Die Akteure brauchen Raum, eine geschützte Umgebung, um alternative Regime zu entwickeln und Innovationen voranzutreiben. Eine solche Partizipation von und Interaktionen zwischen den Akteuren ist erforderlich, um die Politik zu unterstützen und Akteure durch Lernprozesse in die Lösung einzubinden (Wittmayer & Loorbach 2015).

In diesem Governance-Ansatz lassen sich vier Ebenen von Governance erkennen (Wittmayer & Loorbach 2015: 19):

  • Strategisch: Definition langfristiger Aktivitäten für eine gemeinsame Diskussion der Zukunft (z. B. langfristige Ziele formulieren).
  • Taktisch: Ermittlung von mittel- bis langfristigen Aktivitäten, die darauf abzielen, etablierte Strukturen, Institutionen, Vorschriften und Infrastrukturen zu verändern.
  • Operational: Festlegung kurzfristiger Aktivitäten (einschließlich Experimenten), bei denen alternative Ideen, Praktiken und soziale Beziehungen getestet, angewendet und demonstriert werden.
  • Reflexiv: Aktivitäten, die mehr über den aktuellen Zustand und die Dynamik des Systems sowie über den Übergang von der Gegenwart in die Zukunft erfahren möchten; dazu gehören kollektive Lernprozesse aus laufenden strategischen, taktischen und operativen Tätigkeiten.

Partizipative Prozesse können auf allen vier Ebenen angestoßen werden. In diesem Buch werden verschiedene Strategien dafür vorgestellt (s. Merten et al. zur Strategischen Allianzen). Die offenen Fragen dabei sind, ob eine aktive Partizipation auf allen Ebenen notwendig und durchführbar ist, und ob die Akteure über ein hinreichendes Interesse sowie über Ressourcen für eine aktive Beteiligung verfügen. Die Erfahrungen aus dem Projekt »Bottrop 2018+« zeigen, dass die Antworten auf diese Fragen nicht einfach sind und von unterschiedlichen Faktoren abhängen. In Abgrenzung zum weitverbreiteten Verständnis von Partizipation als aktive Beteiligung von Bürger / innen an kommunalen Entscheidungs- und Planungsprozessen bezieht sich partizipative Wirtschaftsförderung auf das Commitment und das Engagement der Wirtschaftsakteure vor Ort, mit dem Ziel, Transitionsprozesse der wirtschaftsstrukturellen Entwicklung gemeinsam zu gestalten.

Ein Beispiel – die Stadt Bottrop

Die Stadt Bottrop ist ein Mittelzentrum innerhalb des Ballungskernes Ruhrgebiet und der »Europäischen Metropolregion Rhein-Ruhr« und steht als solches einem starken regionalen, europaweiten und globalen Wettbewerb gegenüber. Ein wettbewerbsfähiges, regional angemessenes Wirtschaftsprofil zu erarbeiten, ist eine zentrale Aufgabe der Stadt und insbesondere der Wirtschaftsförderung, um Prosperität und Wohlstand zu gewährleisten. Erschwert wird diese Aufgabe durch eine Reihe von Herausforderungen: Mehr als 150 Jahre [2] prägte der Bergbau die Strukturen und das Image Bottrops. Am 21. Dezember 2018 schloss die letzte Zeche ihre Pforten und damit endete der subventionierte Kohlebergbau in Bottrop und im Ruhrgebiet. Neben dem starken regionalen Wettbewerb und der Wirtschaftsentwicklung von einem monostrukturellen Industriestandort hin zu einem diversifizierten durch viele kleine und mittlere Unternehmen gekennzeichneten Standort kommen demographische Veränderungen und eine dauerhafte Begrenzung der finanziellen städtischen Ressourcen hinzu (Nordhause-Janz 2017). Um diesen Herausforderungen zu begegnen ist eine Neuausrichtung der lokalen Wirtschaftsstrukturen unumgänglich.

Untermauert wurden diese Erkenntnisse durch eine Stärken-Schwächen-Analyse der bestehenden Governancestrukturen, die im Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement der Stadt Bottrop verankert sind [3]. Interviews mit Experten aus regionalen und lokalen Wirtschaftsförderungsnetzwerken, Verbände und Unternehmen bestätigen, dass das Bewusstsein für die Themen »Nachhaltigkeit« und »Resilienz« in Bezug auf Wirtschaftsstrukturen geschärft werden muss. Es stellte sich weiterhin heraus, dass die lokale Wirtschaftsförderung verstärkt in einer klassischen Rolle als Dienstleister und selten als kollektive Aufgabe mehrerer Akteure wahrgenommen wird (Welschhoff & Terstriep 2017b). Zugleich wurden die klassischen Aufgaben der Wirtschaftsförderung von befragten Akteuren als Stärke empfunden. So wurden u. a. die physische Nähe, die Zuverlässigkeit, persönliche und schnelle Reaktion auf Anfragen, wenig Bürokratie und das gute regionale Netzwerk als positiv hervorgehoben. Das überwiegend reaktive Verhalten der Wirtschaftsförderung als Ganzes wurde dennoch kritisch betrachtet. Die Expert / innen vermissen einen aktiven Ansatz, der die verschiedenen Interessensgruppen am Standort in die wirtschaftsstrukturellen Entscheidungen einbezieht. Zusätzlich wurden die starke Abhängigkeit von der Politik, ein schwaches Stadtmarketing jenseits der Stadtgrenzen sowie das Fehlen einer gemeinsamen Wirtschaftsentwicklungsstrategie als Schwächen betont. Daneben wurde der Wunsch nach einer stärkeren Einbindung der Wirtschaftsakteure in die Umsetzung von Aktivitäten und Maßnahmen geäußert (ebd.). Diese Ergebnisse zeigen explizit, dass in Bottrop Raum und Bereitschaft für partizipative Governance-Ansätze bestehen. Beteiligungsprozesse für nachhaltige Entwicklung sind in Bottrop nicht neu. Bereits im Rahmen des Projekts »InnovationCity Ruhr – Modellstadt Bottrop« haben Stadt, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam neue Governanceformen im Hinblick auf eine nachhaltige und energieeffiziente Stadtentwicklung initiiert und implementiert. Darüber hinaus hat die Stadt gemeinsam mit Bürger / innen, Politiker / innen, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft eine kommunale »Vision 2030+« für die wichtigsten zukunftsorientierten Aufgaben im Rahmen des Wettbewerbs »Zukunftsstadt 2030+« erarbeitet (Stadt Bottrop 2018). Neben Klima- und Strukturwandel umfasst diese Vision Themen wie demografischen Wandel und dessen Folgen für das soziale Zusammenleben ebenso wie wirtschaftsstrukturelle Aspekte (z.B. Fokus auf die Bereiche Umwelt- und Energiesysteme, kleinteilige Produktion etc.). Der Zukunftsstadtprozess ist auf die gesamte Stadt ausgerichtet, während sich »InnovationCity« auf bestimmte Stadtbezirke konzentriert. Beide Projekte wurden explizit als Beteiligungsprozesse unterschiedlicher Akteure konzipiert. In Abgrenzung zu diesen Initiativen hat sich das Projekt »Bottrop 2018+« das Ziel gesetzt, einen partizipativen Governance-Ansatz mit der Wirtschaft als aktiver Akteur und Mitgestalter anzustoßen (s. Merten et al. zur Strategischen Allianzen), um eine nachhaltige und resiliente Wirtschaftsstruktur am Standort zu entwickeln. Die Anforderungen an die beteiligten Akteure für das Gelingen partizipativer Governance sind hoch und werden maßgeblich durch die lokalen Rahmenbedingungen geprägt, die damit ebenfalls zu den Gelingungsfaktoren zählen.

Gelingungsfaktoren

Grundlage für die Herleitung der nachfolgend dargestellten Faktoren einer gelingenden Wirtschaftsförderung i. w.S. bildet der dreijährige Erprobungsprozess der Konzeptionierung und Implementierung partizipativer Governance-Strukturen in der Stadt Bottrop. Beteiligte an diesem Prozess waren das Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement Bottrop, Unternehmen, Wirtschaftsverbände (IHK, Handwerkskammer etc.), Politik, Wissenschaft und weitere lokale Akteure.

— Umdenken der aktuellen Akteure

Der Prozess verlangt von allen Akteuren, ihre bisherigen Rollen und damit verbundene Handlungsmuster kritisch zu reflektieren, und die generelle Bereitschaft, diese zu verändern. Die Wirtschaftsförderung i. e.S. muss sich von der Mentalität eines Dienstleisters lösen und zukünftige Anforderungen in einem sich verändernden wirtschaftlichen Umfeld stärker antizipieren. Die Unternehmen müssen vermehrt Verantwortung nicht nur für ihr eigenes Unternehmen und dessen Nachhaltigkeit übernehmen, sondern ebenso für den Wirtschaftsstandort »Stadt«. Die Politik muss sich trauen, aktiv auf Unternehmen zuzugehen und Entscheidungen im Dialog zu treffen. Nur so kann der Wandel von einer reaktiven zu einer aktiven Wirtschaftsförderung gelingen.
Darüber hinaus ist ein gemeinsames Verständnis der Zielsetzung nötig. Das Leitbild für »einen nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstandort« braucht an erster Stelle eine Einigung darauf, welches gemeinsame Verständnis hinter diesen beiden Begriffen steht. Ein aus der Theorie abgeleitetes Verständnis reicht nicht aus. Nachhaltigkeit und Resilienz müssen den Akteuren greifbar gemacht werden, damit sie sich damit identifizieren können, den damit einhergehenden Mehrwert erkennen und dieses Ziel bei der Entwicklung von Strategien bzw. bei der Umsetzung von Maßnahmen berücksichtigen können.

— Motivation

Um einen solchen intensiven Dialog und die gemeinsame Lösungsfindung zu ermöglichen ist eine hohe Motivation von zentraler Bedeutung. Die Akteure müssen ihren persönlichen, normativen und / oder moralischen Mehrwert der Partizipation und damit der aktiven Mitwirkung an der Gestaltung des Wirtschaftsstandorts erkennen, um ein (dauerhaftes) Engagement als lohnenswert einzustufen. Den konkreten Mehrwert für die verschiedenen Akteursgruppen gilt es herauszuarbeiten und zu kommunizieren. Zugleich gilt es, sich über die verschiedenen Motive der Beteiligten (z.B. wirtschaftliche oder politische Motive) klar zu werden (s. Beiträge im Kapitel »Vision & Motivation«). Eng verbunden damit sind die Problemerkennung und die Problemeigentümerschaft. Akteure sind motiviert an Prozessen und Aktivitäten teilzunehmen, wenn sie darin die Lösung für eigene Problemen bzw. Herausforderungen sehen.

— Vertrauen

Eine starke Vertrauensbasis wird durch Transparenz, offene Kommunikation und langfristige Zusammenarbeit geschaffen. In allen angewendeten Instrumenten und Prozessen soll von Beginn an mit den Akteuren offen kommuniziert werden, wie sich die Möglichkeiten und die Konsequenzen der Entscheidungen darstellen (s. Merten et al. zur Strategischen Allianzen). Ein Aspekt, der in Bottrop bereits gegeben ist. In den Experteninterviews wurden die gute (Zusammen-)Arbeit mit dem Amt und die Kompetenzen der Mitarbeitenden betont.

— Parallelstrukturen vermeiden

Die Wirtschaftsförderung neu aufzustellen bedeutet nicht von Null anzufangen. Vielmehr gilt es, an dem Vorhandenen anzusetzen (z.B. existierende Branchennetzwerke). Der Vermeidung von Doppelstrukturen kommt hierbei ein zentraler Stellenwert zu. Wenn es darum geht, alle relevanten Akteure zu beteiligen, gilt es zunächst zu klären, an welchen Aktivitäten / Initiativen am Standort die Akteure bereits beteiligt sind und was die relevanten Themen sind. Mit den neuen Strukturen und Prozessen von Wirtschaftsförderung i. w.S. wird nicht angestrebt, bestehende Netzwerke und Initiativen zu ersetzen, vielmehr geht es darum, diese aktiv einzubinden. Partizipative Governance versteht sich insofern eher komplementär zu branchenbezogenen Initiativen und zielt auf eine branchen- und strukturübergreifende Zusammenarbeit ab. Doppelstrukturen können zu Ablehnung oder Widerstand gegenüber dem Gesamtprozess (»das gibt es doch alles schon«) oder zum Ausstieg von Akteursgruppen führen (»dafür habe ich keine Zeit mehr«). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Strukturen für das Erreichen der gesetzten Ziele geeignet sind. Eine Re-Evaluation bestehender Strukturen vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit und Resilienz ist sinnvoll.

— Raum schaffen

Um gemeinsame Strategien zu entwickeln und umzusetzen, braucht es Räume zum Experimentieren. Unter »Raum« wird hier nicht nur ein physischer Ort verstanden, sondern zugleich Raum in Prozessen und Strukturen. Für viele Akteure bedeutet die Beteiligung in partizipativen Prozessen zusätzliche Arbeit. Es gilt sich an Bedarfen und Möglichkeiten der Akteure auszurichten und Räume, im Sinne von Zeit und Ressourcen, zu schaffen. Die Akteure brauchen die Freiheit ihre Ideen einzubringen, sie brauchen zugleich jedoch eine gewisse Unterstützung in der Umsetzung. Dies kann durch entsprechendes Schnittstellenmanagement und Vernetzung gewährleistet werden.

— Leadership

Auch ein Beteiligungsprozess bedarf eines Treibers, eines Moderators, der die Leitungsposition übernehmen kann und ggf. Themen setzen, nachverfolgen und durchsetzen kann. Diese Rolle kann sowohl persönlich (z.B. ein Unternehmer) als auch kollektiv (z.B. Amt für Wirtschaftsförderung) besetzt sein. Zur Wahrnehmung dieser zentralen Rolle bedarf es des Commitment und der Akzeptanz der zu beteiligenden Akteure. Dies gibt die Sicherheit, dass die angestoßenen Prozesse und Projekte auch vollständig implementiert werden.

— Politischer Willen (Commitment)

Der vorgeschlagene Ansatz setzt eine Offenheit der Politik gegenüber neuen Formen von Entscheidungs- und Planungsprozessen voraus, damit die Legitimation der Governance-Strukturen und die Verbindlichkeit der Entscheidungen gesichert wird. Nach unserem Verständnis von partizipativer Governance ist Politik eine der zu beteiligen Akteursgruppen mit eigener Denklogik und eigenen Interessen, die es zu berücksichtigen gilt. Folglich sind die politischen Akteure vor Ort genauso »abzuholen«, wie die Wirtschaftsförderung i. e.S. oder die Unternehmen.

— Botschafter identifizieren und aktivieren

Partizipative Governance-Strukturen brauchen Unterstützer bzw. Promotoren, um für die Idee einer von den Akteuren gemeinsam getragenen Wirtschaftsförderung zu »werben« und deren Mehrwert in die Breite zu bringen. Als sogenannte »Botschafter« eignen sich Menschen, die das Potenzial aufweisen zur Meinungsbildung am Standort beizutragen, über eine gute Reputation verfügen, das Vertrauen der lokalen Akteure genießen und als verlässlich wahrgenommen werden. Diese gilt es zu identifizieren und zu aktivieren. In Bottrop steht hierfür der Oberbürgermeister, der den gesamten Prozess begleitet und unterstützt hat.

Partizipation in der Wirtschaftsförderung ist kein Selbstzweck, sondern sollte zielgerichtet erfolgen.

Die identifizierten Gelingungsfaktoren sind gleich zu gewichten und in keiner bestimmten Reihenfolge zu betrachten. Alle Faktoren haben sich im Prozess als relevant erwiesen. Es ist jedoch zu erwarten, dass in Abhängigkeit von den lokalen Gegebenheiten an der einen oder anderen Stelle intensiver an der Erreichung einzelner Faktoren gearbeitet werden muss. In Anlehnung daran können Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, um ähnliche Prozess an anderen Standorten durchzuführen.

10 Schritte zur partizipativen Wirtschaftsförderung

Die folgenden 10 Schritte sollen einen Orientierungsrahmen für die Initiierung partizipativer Governance-Strukturen in der Wirtschaftsförderung an anderen Standorten bieten.

Zunächst ist festzuhalten, dass Partizipation in der Wirtschaftsförderung kein Selbstzweck ist, sondern zielgerichtet erfolgen sollte. Zu Beginn des Prozesses sollte daher erstens eine Analyse des Status Quo am Standort erfolgen.  Zweitens ist zwischen Strukturen und Inhalten der Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung zu differenzieren. Ein wesentliches Element bildet drittens die Identifikation der relevanten Akteure und das Stakeholdermanagement. Viertens stellt sich die Frage nach den Kommunikationskanälen der verschiedenen Akteursgruppen, um diese wirkungsvoll zu erreichen und sie fünftes in ihrer »Lebensrealität« abzuholen. Sechstens gilt es alle zum Mitmachen zu bewegen, dies schließt explizit die Beschäftigten der Wirtschaftsförderung i. e.S. mit ein. Ziel muss es siebtens sein, ein gemeinsames »Wir« zu schaffen und achtens eine klare Rollenverteilung zu definieren. Dies geht neuntens einher mit einer Ressourcenplanung der beteiligten Akteure, die sich zehntens an der vereinbarten Arbeitsteilung orientiert. Aber was verbirgt sich hinter diesen 10 Schritten konkret? Folgend sind die wichtigsten Fragen dargestellt, deren Beantwortung die Gestaltung eines eigenen standortspezifischen »partizipativen Governance«-Prozesses gewährleisten kann.

Analyse des Status Quo der Wirtschaftsförderung am Standort

  • Was sind die aktuellen Strukturen (Ämter, Netzwerke etc.)?
  • Welche Themen werden aktuell diskutiert und welche Projekte laufen?
  • Wer sind die an der Wirtschaftsförderung (als Tätigkeit) aktuell beteiligten Akteure?
  • Wie sind aktuell die Governance-Strukturen der Wirtschaftsförderung gestaltet?
  • Wie ausgeprägt ist die Vertrauensbasis zwischen den lokalen Akteuren?

Merkposten

Eine detaillierte Status-Quo-Analyse ist für das Vermeiden von Redundanzen und Doppeltstrukturen schlüssig. Für eine vollständige Analyse ist die Verbindung von quantitativen (sozioökonomische Analyse) und qualitativen (Experteninterviews) Methoden empfehlenswert.


Vorüberlegungen: Differenzierung zwischen Strukturen und Inhalten

  • Grundsätzlich ist zwischen struktureller und inhaltlicher Neuausrichtung zu differenzieren!
  • Sind die existierenden Strukturen der Wirtschaftsförderung am Standort für neue Themen wie Nachhaltigkeit und Resilienz offen?
  • Oder sind die relevanten Zukunftsthemen am Standort bereits gesetzt, aber es fehlen Strukturen, um diese konsequent zu verfolgen?

Merkposten

Nicht jede Struktur bietet den passenden Rahmen für alle beliebigen Themen. Wenn das Ziel etwa die Transition in Richtung eines nachhaltigen und resilienten Standorts ist, dann müssen passende, umfangreiche und detaillierte Strukturen dafür vorgedacht werden. Weiterhin müssen die laufenden Themen und Projekte entsprechend diesem Leitbild evaluiert und angepasst werden.


Analyse & Management der Stakeholder

  • Wer sind die relevanten Akteure, die es für eine partizipative Wirtschaftsförderung braucht? Was ist ihre Rolle im Prozess?
  • Was ist die Motivation, was sind die Interessen der unterschiedlichen Akteursgruppen für ein Engagement in der lokalen Wirtschaftsförderung?
  • Was ist der potenzielle Mehrwert einer aktiven Partizipation bei der Entwicklung der lokalen Wirtschaftsstrukturen?

Merkposten

Stakeholder werden als Personen, Gruppen oder Organisationen verstanden, die an der Ausführung oder dem Ergebnis von Wirtschaftsförderung beteiligt sind, darauf Einfluss nehmen können, davon beeinflusst werden oder sich dafür interessieren (bspw. bestehende Strukturen (Amt, Stadtverwaltung), Unternehmen, Politik, Verbände, Intermediäre (IHK, HWK etc.), wissenschaftliche Einrichtungen (Hochschulen, Universitäten etc.) usw.).


Kommunikationsmechanismen identifizieren

  • Wer wird »wie« die Akteure ansprechen?
  • Was sind die geeigneten Kommunikationskanäle? Wird ausschließlich Online-Kommunikation (z.B. E-Mail) gewählt oder ist ein persönlicher Kontakt im Vorfeld notwendig?
  • Wie intensiv wird die Kommunikation sein? Wird auf sporadische Kanäle (bspw. Newsletter, Emails etc.) gesetzt oder wird eine ausgewählte Person als Schnittstelle betrachtet, die intensiv und persönlich die Akteure anspricht?
  • Welche Kanäle stehen den Akteuren für Kommunikation miteinander zur Verfügung?
  • Welche Veranstaltungen und Formate werden wie oft und mit welchem Ziel durchgeführt?

Merkposten

Fung (2006) unterscheidet sechs Kommunikationsmodi zwischen den Akteuren in Beteiligungsprozessen, die in der Art der Kommunikation (Zuhörer, Verhandlungen, Expertise etc.) und der Intensität der Interaktion (minimal bis sehr intensiv) variieren. Der genaue Kommunikationsmechanismus hängt von den gesetzten Zielen, der Motivation der Akteure und den lokalen Gegebenheiten ab und kann im Prozess verändert und angepasst werden. Wichtig ist es, sich an die Kommunikationsroutinen der Akteursgruppen anzupassen.


Akteursgruppen »abholen«

  • Inwieweit werden die identifizierten Akteure im Prozess eingebunden?
  • Was ist notwendig, um die Akteure mit dem Prozess vertraut zu machen?
  • Welche Instrumente eignen sich, um die Akteure im Prozess wie gewünscht einzubinden?

Merkposten

Es ist eine aktive Ansprache und Arbeit mit allen Akteursgruppen notwendig. Sie müssen den Prozess für sich selber »erfinden« und die Vorgehensweisen anerkennen, damit die Legitimation gelingt. Dafür sind mehrere Treffen mit allen relevanten Akteursgruppen notwendig. Zielführend kann es sein, die einzelnen Akteursgruppen separat, d. h. mit einer akteursspezifischen Ansprache, abzuholen, bevor diese an einem Tisch gebracht werden.


Bestehenden Strukturen überdenken

  • Inwieweit beeinflusst der »neue« Prozess die bestehenden Arbeitsprozesse und inhalte in der bestehenden Governance-Struktur (z.B. Amt für Wirtschaftsförderung)?
  • Welche Veränderungen bzw. Anpassungen sind in der internen Ausrichtung und Arbeitsweise notwendig?
  • Wie können alle Mitarbeiter / innen mitgenommen werden?

Merkposten

Das »Mitnehmen« aller Mitarbeitenden in den bestehenden Strukturen ist für das Gelingen des Prozesses von großer Bedeutung. Nur dadurch können sie die neuen als »eigene« Themen anerkennen und neue Aufgaben für sich und die Wirtschaftsförderung definieren.


Das »Wir« schaffen

  • Inwieweit kennen sich die beteiligten Akteure? Haben Sie schon miteinander gearbeitet?
  • Besteht Vertrauen zwischen den Akteuren oder muss dieses zuerst geschaffen werden?
  • Welcher Mehrwert ergibt sich für die einzelnen Akteure und Akteursgruppen aus der Beteiligung?
    Ist dieser bekannt und wenn nicht, wie kann dieser kommuniziert werden?

Merkposten

Instrumente zur Vertrauenssicherung und Motivierung von Akteuren sind in diesem Buch im Kapitel »Vision & Motivation« thematisiert.


Rollenverteilung

  • Welche Beteiligungsformen und auf welcher Ebene (strategisch, taktisch, operational, reflexiv) sind für die gesetzten Ziele am Standort geeignet?
  • Wer trifft wie Entscheidungen und welche Konsequenzen haben diese für die Standortentwicklung?
  • Wer übernimmt welche Aufgaben in welcher Funktion?
  • Inwieweit beeinflussen die Entscheidungen die Politik?

Merkposten

Es gilt eine Balance zwischen »wünschenswert« und »zumutbar« zu schaffen. Dafür muss entschieden werden, ob die Akteure auf allen Ebenen oder nur auf einigen beteiligt werden wollen / sollen. Ein mögliches Instrument, die Rollenverteilung zu diskutieren und zu definieren, bietet die gemeinsame Entwicklung von Szenarien (s. Merten et al. zum Ansatz Bottrop 2018+).


Ressourcenplanung

  • Welche Ressourcen (Personal, Finanzierung etc.) werden benötigt?
  • Welche Ressourcen sind bei den einzelnen Akteuren vorhanden? Wer kann welche Ressourcen einbringen?
  • Besteht die Möglichkeit zusätzliche Ressourcen zu akquirieren (z.B. durch Förderprogramme).

Merkposten

Eine detaillierte Ressourcenplanung zur Umsetzung geplanter Maßnahmen sowie des Gesamtprozesses ist erforderlich und sollte unter Berücksichtigung der Rollen- und Arbeitsverteilung erfolgen.


Arbeitsteilung

  • Welche Aufgaben werden von den Akteuren der bestehenden Strukturen (z.B. Amt für Wirtschaftsförderung) übernommen und wie werden sie intern verteilt?
  • Welche Aufgaben werden von den Akteuren der neu aufgebauten Strukturen (z.B. Strategische Allianz) übernommen?
  • Wer übernimmt die Kommunikation und das Management an den Schnittstellen und die Aktivierung weiterer relevanter Akteure?

Merkposten

Die Arbeitsteilung wird in Verbindung mit Rollenverteilung und Ressourcenplanung mitgedacht und kann bei der Entwicklung von Szenarien integriert werden.

Tabelle 1 fasst am Beispiel Bottrop zusammen, wie die Durchführung der 10 Schritte aussehen kann und wie der Prozess vor Ort verlaufen ist.

Tabelle 1: Partizipative Wirtschaftsförderung am Beispiel »Bottrop 2018+«

Partizipation Tabelle 2

Fazit und Ausblick

Partizipative Wirtschaftsförderung setzt Offenheit, die Bereitschaft zur Mitwirkung, eine Neuverteilung von Rollen und Aufgaben unter den lokalen Akteuren voraus. Die traditionellen Aufgaben der Wirtschaftsförderung i. e.S. (Bestandspflege, Gründungsberatung, Flächenmanagement etc.) werden auch künftig benötigt. Zusätzlich ist es jedoch erforderlich in einen intensiveren Kontakt und Dialog mit den Akteuren am Wirtschaftsstandort zu treten, um Zukunftsthemen schneller zu identifizieren, gemeinsam Strategien zu entwickeln und die administrativen Wege zur Umsetzung zu verkürzen. Partizipative Governance verlangt ein starkes Engagement und aktive Beteiligung seitens aller Akteure. Diese neuen Rollen sind für die Akteure (in Bottrop) eine Herausforderung. Mit dem Ansatz der »strategischen Allianzen« müssen sie sich in einem langfristigen Prozess engagieren, die Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen und sich Zeit für Vorbereitungen, Diskussionen und Konfliktlösungen investieren. Dies kann langfristig nur gelingen, wenn die Akteure einen klaren Mehrwert in den vorgenannten Aktivitäten für das eigene Unternehmen, den Standort (Politik) und / oder die eigene Arbeit in der städtischen Verwaltung sehen.

Der Weg zur Etablierung einer partizipativen Wirtschaftsförderung wird an unterschiedlichen Standorten variieren. Es gibt keine »Universallösung«, vielmehr bilden die standortspezifischen Rahmenbedingungen den Ausgangspunkt. Das Beispiel Bottrop zeigt exemplarisch einen möglichen Weg auf, der aber sehr stark durch die lokalen Gegebenheiten und Historie der Stadt geprägt ist. Die herausgearbeiteten Gelingungsfaktoren und die daraus abgeleiteten 10 Schritte können als Orientierungsrahmen für andere Kommunen und Städte dienen, die sich auch auf einen ähnlichen Weg begeben möchten.

Zum Weiterlesen

  • Welschhoff, J. und Terstriep, J. (2017): Bericht zur Ausgangslage der Wirtschaftsförderung am Standort Bottrop. AP1.1 Bericht des Projekts »Bottrop 2018+ - Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstruktur.« FONA, Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
  • Nordhause-Janz, J. (2017): Sozioökonomische Analyse der Stadt Bottrop. AP1.3 Bericht des Projekts »Bottrop 2018+ - Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstruktur.« FONA, Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

[1] Transition bezieht sich auf die Prozesse des Strukturwandels von einem Subsystem zu einem anderen, was zu einer langfristigen Transformation des Systems führen kann (Kemp & Rotmans, 2004). Nach Walker (2004) steht Transformation für die Fähigkeit der Akteure eines sozioökonomischen Systems, ein neues System zu gestalten, wenn das alte System aufgrund sich ändernder ökologischer, politischer, sozialer oder wirtschaftlicher Bedingungen nicht mehr tragfähig ist.

[2] Der Beginn des Bergbaus in Bottrop ist datiert auf das Jahr 1856, der in den Folgejahren (1871 – 1905) mit einem »Kohleboom« und rasantem Bevölkerungswachstum einherging.

[3] Mehr Ergebnisse der SWOT Analyse finden Sie in Welschhoff & Terstriep 2017 (s. »Zum Weiterlesen«)

Literatur

Brandt A. (2014). Wirtschaftsförderung 3.0: Zur Strategie der Wirtschaftsförderung in der Innovationsökonomie. In R. C. Beck, R. G. Heinze & J. Schmid (Hrsg.), Zukunft der Wirtschaftsförderung, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Bd. 14, Baden-Baden: Nomos, 683-714.

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