Die Sprache der Akteure finden und Akteure mobilisieren
Stadt Bottrop
Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagemen
Der Erfolg eines partizipativen Beteiligungsprozesses hängt stark von der Basisarbeit ab, die zu Beginn eines Projektes durchgeführt werden muss. Dazu gehören die Identifikation der Akteure (Zielgruppenidentifikation), die richtige Ansprache der Akteure sowie eine frühzeitige Vernetzung dieser. Im vorliegenden Beitrag werden die Erfahrungen bzw. das Vorgehen beschrieben, die im Rahmen des Projektes Bottrop 2018+ durchgeführt wurden.
Wirtschaftsstandorte sind komplexe Systeme aus heterogenen Akteuren, die in Beziehung zueinanderstehen. Die Systemeigenschaften des Standortes hängen von der Vernetzung und dem Zusammenwirken der vorhandenen Akteure ab (Welschhoff & Terstriep, 2017). Somit bilden die Wirtschaftsakteure nicht nur in ihrer Gesamtheit eine wichtige Gruppe, die maßgeblich zur Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes beiträgt. Viel mehr prägen ihr Zusammenspiel und die durch ihre Kooperation und Kollaboration erwachsenden Synergieeffekte den Standortcharakter und seine Entwicklungsfähigkeit maßgeblich. Somit ist die Unterstützung solcher Effekte eine Hauptaufgabe der Wirtschaftsförderung.
Dies gilt desto stärker für Standorte, die sich in tiefgreifenden Veränderungsprozessen befinden. Ein Beispiel stellt die Stadt Bottrop im Ruhrgebiet dar, in der Ende 2018 das letzte Steinkohlebergwerk Deutschlands geschlossen wurde und damit den Strukturwandel weiter anhält. Der Wirtschaftsstandort zeichnet sich mittlerweile durch einen stark diversifizierten Mittelstand aus. Eine Entwicklung, die sich aus dem angekündigten Ende des Bergbaus ergeben hat. Die Stadt befindet sich in einem Prozess von einer von Schwerindustrie geprägten hin zu einer mittelstands- und dienstleistungsorientierten Wirtschaftsstruktur (Nordhause- Janz, 2017). In diesem Kontext steht das Ermöglichen von Synergieeffekten und die Zusammenarbeit zwischen heterogenen Wirtschaftsakteuren im Mittelpunkt des Projekts Bottrop 2018+ - Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstruktur. In einem offen angelegten Beteiligungsprozess sollten lokale Unternehmen, Politik und Verwaltung, Bildungseinrichtungen und Wissenschaft, Kammern und Verbände im Rahmen des Ansatzes Strategischer Allianzen zueinander finden und in Kooperation die Wirtschaftsstrukturen am Standort Bottrop unter Beachtung von Nachhaltigkeit und Resilienz weiterentwickeln und den veränderten Strukturen Rechnung tragen (s. Merten et al. zum Ansatz Bottrop 2018+ und s. Merten et al. zu Strategischen Allianzen in dieser Publikation).
Der Erfolg eines so komplexen Beteiligungsprozesses und einer partizipativen Form der Governance hängt in hohem Maße davon ab, welche Akteure als prozessrelevant identifiziert und für den Prozess mobilisiert werden können. Ob die Mobilisierungsprozesse erfolgreich sind, hängt auch von der Mitwirkungsbereitschaft und Motivation der Akteure ab, sich langfristig im Prozess zu beteiligen. Um dies zu gewährleisten, müssen passende Formate der Partizipation und die richtige Sprache (Kommunikation) für die Interaktion gefunden werden. Auch sind die jeweiligen Strukturen, d. h. das Setting des Prozesses, relevant. Dieser Beitrag beschreibt die Schritte und Instrumente eines Mobilisierungsprozesses als Teil eines partizipativen Governanceprozesses im Rahmen des Projekts Bottrop 2018+. Zum Schluss sind die Erfahrungen und Lessons Learned zusammengefasst.
Angelehnt an die Pyramide der Partizipation [1]
kann der Mobilisierungsprozess in
vier Schritte unterteilt werden:
- Analyse: Identifikation und
Klassifizierung der Akteure
In einem ersten Schritt werden die Schlüsselakteure und ihre Rollen, wichtige Branchen und Netzwerke identifiziert. 2. Ansprache und Motivation der Akteure Über unterschiedliche Instrumente werden die identifizierten Akteure angesprochen und motiviert. 3. Vernetzung und Beteiligung Durch unterschiedliche Veranstaltungsformate werden die interessierten Akteure zusammengebracht, um ein gemeinsames Leitbild und entsprechende Maßnahmen zu planen. 4. Umsetzung und Verstetigung Idealerweise werden Maßnahmen von den Akteuren selbst umgesetzt - Ansprache und Motivation der Akteure
Über unterschiedliche Instrumente werden die identifizierten Akteure angesprochen und motiviert. - Vernetzung und Beteiligung
Durch unterschiedliche Veranstaltungsformate werden die interessierten Akteure zusammengebracht, um ein gemeinsames Leitbild und entsprechende Maßnahmen zu planen. - Umsetzung und Verstetigung
Idealerweise werden Maßnahmen von den Akteuren selbst umgesetzt.
1. Analyse: Identifikation und Klassifizierung der Akteure
Der wichtigste Schritt zu Beginn eines standortspezifischen Beteiligungsprozesses besteht darin, eine geeignete Auswahl
der relevanten Akteure zu treffen. Vor diesem Hintergrund wurde zu Beginn des Projektes eine umfassende Stakeholderanalyse durchgeführt. Eine solche Analyse ist im Kontext einer Allianz komplexer und schwieriger als bei einem einzelnen Unternehmen. »So müssen in Allianzen bestimmte gesellschaftliche Akteure viel stärker als in Einzelunternehmen berücksichtigt werden, beispielsweise andere Vereinigungen (z. B. Verbände) und Akteure auf politischer Ebene« (Engelmann, Merten, Bowry, 2014, S. 21). Diese hängt in den meisten Fällen zuerst davon ab, welche Zielsetzung bzw. inhaltliche Ausrichtung die einzelnen Akteure aufweisen. Die folgende geschilderte Vorgehensweise zeigt, wie die Stakeholderanalyse und das Stakeholdermanagement spezifisch für das Bilden von Wirtschaftsallianzen aussehen kann.
Lokale Unternehmen, Politik und Verwaltung Bildungseinrichtungen und Wissenschaft, Kammern und Verbände sollten zueinander finden.
Identifizierung der Akteure
Die Aufgabe in Bottrop umfasste u. a. Analyseprozesse zur Identifizierung der fürden Transitionsprozess wichtigen Multiplikatoren und Unterstützer, wie z. B. Verbände und Organisationen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure. Für das Projekt Bottrop 2018+ wurde in internen Workshops von allen Mitarbeitern der Wirtschaftsförderung, der wissenschaftlichenBegleitung durch das Faktor 10 - Institut sowie der Koordinatorin des Zu kunftsstadtprozesses die Stakeholder- und Akteurslandschaft im Bottroper Stadtgebiet erfasst und klassifiziert.
Auch wenn im Projekt Bottrop 2018+ die thematische Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und Resilienz von Anfang an klar definiert war, erfolgte die Identifikation und Auswahl der beteiligten Akteure zunächst anhand einer allgemeinen Vorgehensweise. Für den Identifikationsprozess waren eine themenspezifische Vorbefassung oder explizite Segmentierungskenntnisse kein gesondertes Merkmal.
In einem ersten Schritt wurden in teaminternen Workshops unterschiedliche Stakeholder mittels eines Brainstormings identifiziert. Als erster Anknüpfpunkt dienten die Erfahrungswerte der Bottroper Wirtschaftsförderung sowie die Erfahrungen, die im Rahmen des BMBF-Projektes Zukunftsstadt 2030+ [2] gesammelt wurden. Aufgrund der vorhandenen Datenlage wurde zusätzlich eine Firmendatenbank erworben. Diese bot dem Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement eine Gesamtübersicht über die Bottroper Unternehmenslandschaft. Mit Hilfe der Datenbank konnten zudem weitere Informationen, wie z. B. Umsatzangaben, generiert werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden zudem die zwanzig umsatzstärksten gewerblichen Unternehmen, als auch zwanzig größten Arbeitgeber (Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern) recherchiert. Da die Datenbank aber auch künftig in der Wirtschaftsförderung genutzt werden kann (z. B. zur Bestandspflege oder zur Akquisition von Investoren), bietet sie auch über den Projektzeitraum hinaus einen großen Mehrwert.
Insgesamt wurden auf diese Art und Weise über 130 Akteure und Institutionen für das Projekt identifiziert. Die Akteure stammten dabei aus einem breiten Spektrum der Stadtgesellschaft und bildeten das potentielle Netzwerk.
Konkret handelt es sich dabei um:
- Unternehmen (von KMU bis GU) diverser Branchen (Einzelhandel, Handwerk, Immobilienbranche Gesundheitswesen, Sozialwesen etc.)
- Schlüsselakteure / Key-Player (Unternehmen mit einer besonderen Strahlkraft, die national als auch international Beachtung finden oder über eine besonders hohe intrinsische Motivation verfügen und somit ein hohes Engagement mit sich bringen. Als Beispiele sind hier die großen Destinationen aus der Freizeitwirtschaft [3] [wie der Movie-Park, das Alpincenter oder das Grusellabyrinth] zu nennen oder auch die Hochschule Ruhr-West, die sich im Rahmen des Zukunftsstadt- Prozesses als wissenschaftlicher Schlüsselakteur präsentiert hat.)
- städtische Institutionen (diverse Fachämter, wie die Koordinierungsstelle Integrierte Stadtentwicklung oder Stadtplanungsamt)
- politisch relevante Akteure (politische Fraktionen)
- Forschungs- und Bildungseinrichtungen (Universitäten oder Hochschulen, wie die Hochschule Ruhr-West)
Verbände / Vereine (z. B. Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Ruhr Tourismus GmbH)
Multiplikatoren (z. B. Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Gewerkschaften, Schlüsselakteure, Ruhr Tourismus GmbH)
Klassifizierung der Akteure: Von Entwicklungsakteuren bis hin zu Schlüsselakteuren
Die Akteure mit einem besonderen Engagement sind teilweise Einzelakteure mit persönlichem Einfluss und mit stadtspezifischem oder historischem Kontext. Identifiziert wurden weiterhin Akteure mit besonderem Interesse an Themen der Stadtentwicklung (z. B. Banken, Immobilienbesitzer etc.), politisch relevante Akteure und die lokalen Medien. Darüber hinaus gilt zu beachten, dass die einzelnen Rollen nicht separat voneinander zu betrachten sind, sondern sich gleichwohl überschneiden können. Politiker können bei einem Unternehmen beschäftigt sein, Multiplikatoren haben möglicherweise bei Verbänden und Vereinen eine besondere Stellung inne und repräsentieren zeitgleich weitere Unternehmen. Die Identifikation dieser doppelten Funktionalitäten kann einen weiteren Vorteil in der Etablierung des Netzwerkes darstellen. Die Einbindung der lokalen Akteure in eine partizipative Governance bzw. in eine Allianz zielt insbesondere auf folgende zwei strategische Zielsetzungen ab:
- Berücksichtigung der beruflichen und persönlichen Kompetenzen sowie des fachlichen Know-hows bestimmterAkteure zur gezielten Erarbeitung von Inhalten. (Nutzen)
- Partizipative Integration von Repräsentanten gesellschaftlicher bzw. prozessrelevanter Akteursgruppen als Teil eines Netzwerks mit Einfluss auf den Gesamtprozess. (Einfluss)
Im Regelfall wird die Auswahl der Akteure die beiden genannten Aspekte gleichermaßen aufgreifen, so dass die teilnehmenden Personen sowohl das entsprechende fachliche Know-how zum Prozess beisteuern, wie auch als Repräsentanten ihrer jeweiligen Organisationen agieren und ihrem gesellschaftlichem Auftrag gerecht werden können.
Zur Klassifizierung der Rollen der 134 Akteure wurde auf eine vom Faktor 10 - Institut entwickelte Vier-Felder-Matrix zurückgegriffen, die die beiden Aspekte Nutzen für das Netzwerk und Einfluss auf das Netzwerk ins Verhältnis zueinander setzt. Mit Blick auf die Matrix wird ersichtlich, dass die Motivationsakteure einen hohen Nutzen für die Allianz bringen, ohne sie selbst großartig beeinflussen zu können. Bei Einflussakteuren verhält es sich genau umgekehrt. Sie haben einen großen Einfluss auf die Allianz, ohne dabei ein großes Nutzenpotential entfalten zu können. Primärer Fokus sollte auf den Schlüsselakteuren liegen, da sie von besonderer Bedeutung für den Fortbestand des Netzwerkes sind. Deren Bedürfnisbefriedigung genießt höchste Priorität. Entwicklungsakteure sind potentielle Teilnehmer, die für die Allianz von keiner besonderen Bedeutung sind, jedoch nicht gänzlich vernachlässigt werden sollten. Punktuell kann versucht werden diese Akteure zu mobilisieren.
Für die Klassifizierung der Stakeholder wurden in diesem Kontext insgesamt vier Kategorien gebildet:
- Der Einfluss ist HOCH und der Nutzen bzw. die Bedeutung im Projektkontext ist ebenfalls HOCH. Dieser Akteur wird dabei als Schlüsselakteur bezeichnet.
- Der Einfluss ist NIEDRIG und der Nutzen bzw. die Bedeutung im Projektkontext ist HOCH. Dieser Akteur wird dabei als Motivationsakteur bezeichnet.
- Der Einfluss ist HOCH und der Nutzen bzw. die Bedeutung im Projektkontext ist NIEDRIG. Dieser Akteur wird dabei als Einflussakteur bezeichnet.
- Der Einfluss ist NIEDRIG und der Nutzen bzw. die Bedeutung im Projektkontext ist ebenfalls NIEDRIG. Dieser Akteur wird als Entwicklungsakteur bezeichnet.
Die vorab 134 identifizierten Akteure wurden entsprechend dieser Logik mit dem jeweiligen Merkmal (z. B. HOCH / NIEDRIG) versehen und somit klassifiziert. Dabei wurden 36 Schlüsselakteure, 29 Einflussakteure, 50 Motivationsakteure und 19 Entwicklungsakteure klassifiziert.
2. Ansprache und Motivation der Akteure
Wichtig für den Erfolg der Akteursmotivierung und der damit verbundenen Mobilisierung ist eine kontinuierliche Kommunikation mit den Akteuren, aber auch der Öffentlichkeit.
Aufbauend auf der oben beschriebenen Analyse hat das Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement ein Stakeholder-Managementsystem und eine kontinuierliche Kommunikation eingeführt. Ziel war es, mit Hilfe des Stakeholder-Managements den Aufbau sowie die unterschiedlichen Beteiligungsformate organisatorisch und kommunikativ zu gewährleisten, um einen dauerhaften Partizipationsprozess zu ermöglichen. Als Input für den Prozess sollten Erkenntnisse aus anderen Beteiligungsprozessen dienen (z. B. InnovationCity Ruhr). Darüber hinaus wurde ein umfassendes CRM-System aufgebaut und im Laufe des Prozesses optimiert.
Die akteursspezifischen Kategorien (Schlüsselakteure, Motivationsakteure, Einflussakteure und Entwicklungsakteure) wurden den projektrelevanten Handlungsfeldern Handel der Zukunft, Digitale Koproduktion im Handwerk und Nachhaltige Unternehmensgründung zugeordnet.
Dieses System ist ein zentraler Baustein für das Stakeholder-Management, das einen kontinuierlichen Austausch mit den Akteuren und dieser untereinander zum Ziel hat. Darüber hinaus wurde ein Verteiler für die anzusprechenden Akteure erstellt. Es wurden alle Akteure mit einem hohen Einfluss und einem hohen Nutzen im Projektkontext und teilweise Akteure mit einem hohen Nutzen, aber nur geringem Einflussbereich (Motivationsakteure) sowie Multiplikatoren in den Verteiler aufgenommen. Es erfolgte eine zielgruppengerechte Ansprache mit einer zusätzlichen Aktivierung durch die Multiplikatoren.
Einen wesentlichen Mobilisationsfaktor bildet das Engagement des Oberbürgermeisters als Schirmherr im Projekt und in allen Veranstaltungen. Zu der Auftaktveranstaltung wurden die Akteure durch eine persönliche Einladung per Brief vom Oberbürgermeister eingeladen. Dies hat die Wertschätzung der Einzuladenden durch die Stadtspitze zum Ausdruck gebracht und die Bedeutung der Veranstaltung unterstrichen. Weiterhin wurde vor jedem Treffen der Wirtschaftsallianz den Akteuren die Möglichkeit gegeben, sich persönlich mit dem Oberbürgermeister auszutauschen.
Gleichzeitig wurde durch eine kontinuierliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (u. a. Pressemitteilungen, Terminankündigungen und Artikel in Zeitungen und Magazinen) ein Grundrauschen (Schmies und Hunecke, 2016) erzeugt. Weiterhin hat eine kontinuierliche Berichterstattung in politischen Gremien die Aktivierung ergänzt. Zudem wurde ein Online-Newsletter eingerichtet, um die Akteure über die Fortschritte, Ergebnisse und Termine im Projekt zu informieren. Dieser stellt neben der Webseite die Online-Kommunikation für das gesamte Projekt dar. So konnte das Grundrauschen insbesondere bei den Beteiligten und den Interessiertenerstärkt werden. Diese können sich durch die Maßnahmen auf dem Laufenden halten und verankern auf diese Art und Weise selbst das Projekt in der Stadtgesellschaft.
Allerdings bedarf es für eine gelungene Mobilisierung auch der direkten Akteursansprache, insbesondere die der Schlüsselakteure. Dies kann über eine persönliche und / oder telefonische Kontaktaufnahme geschehen. Das Projekt hat gezeigt, dass gerade der persönliche Kontakt einen äußerst hohen Zeitaufwand bedeutet und der Nutzen nicht immer gegeben ist. Daher ist es umso wichtiger die richtigen Akteure mit der richtigen Ansprache zu mobilisieren und dazu auch bestehende Netzwerke zu nutzen.
Die Motive der Akteure sich an dem Projekt Bottrop 2018+ zu beteiligen und in der Wirtschaftsallianz mit zu arbeiten, sind sehr vielfältig und differenziert zu betrachten. Die an der Wirtschaftsallianz mitwirkenden Akteure haben nahezu alle eine enge Bindung an den Standort Bottrop. Als Vertreter von Unternehmen und wirtschaftsnahen Einrichtungen gestalten sie den Standort im Rahmen ihrer jeweiligen Tätigkeit maßgeblich mit, was in hohem Maße auf ihre standortbezogene Identität zurückzuführen ist. Aus dieser Identifikation mit dem Standort und seinen Menschen resultiert, dass sie über ein profundes Wissen über ihren Standort und dessen Stärken und Schwächen verfügen. Gleichzeitig haben sie in der Regel ein Interesse daran, die Standortbedingungen positiv zu gestalten und den Standort weiterzuentwickeln. Damit tragen sie weithin zur Ausbildung einer raumbezogenen Identität bei, was grundlegender Bestandteil lokaler und regionaler Governance-Prozesse ist.
Diese Motivation ist ein zentraler Erfolgsfaktor, um die beteiligten Akteure für den Prozess zu gewinnen und im Prozess selbst zu einer konstruktiven Mitarbeit zu bewegen. Im Rahmen von Bottrop 2018+ stellt die Mitarbeit an dem Zukunftsplan ein konkretes Beispiel dar (s. Merten et al. zu Strategischen Allianzen in dieser Publikation). Die an der Erarbeitung des Zukunftsplans beteiligten Stakeholder, die sich im Rahmen der Wirtschaftsallianz über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr in mehreren Treffen in das Projekt eingebracht haben, sind aufgrund ihrer fachlichen Herkunft bzw. Verortung primär an der wettbewerbsfähigen Entwicklung des Standortes Bottrop interessiert. Die spezifische Motivation der beteiligten Unternehmen, an einem komplexen Prozess, wie der Erarbeitung des Zukunftsplans, zu partizipieren, wurzelt naturgemäß vor allem darin, die für ihr eigenes Unternehmen wichtigen Rahmenbedingungen so mitgestalten zu können, dass sich daraus ein Mehrwert für das Unternehmen und sein Kerngeschäft selbst (z. B. Imageverbesserung, Fachkräftesicherung) und indirekt damit auch für die Allgemeinheit ergibt.
Es gilt daher, die Motivation der Akteure (insbesondere der unternehmerischen) mit einem konkreten Nutzenversprechen zu hinterlegen. Das bedeutet, dass die Ergebnisse des Prozesses bzw. die daraus resultierenden Maßnahmen den Beteiligten einen Mehrwert in ihrem jeweiligen Handlungsfeld eröffnen, während sie gleichzeitig auf das Interesse des Standorts und seiner nachhaltigen Entwicklung einzahlen. D. h. im Rahmen eines Mobilisierungsprozesses müssen sogenannte »Motivallianzen« (Schmies und Hunecke, 2016) gefunden werden. Es müssen Schnittmengen zwischen den wirtschaftlichen Zielen der Unternehmen und einer nachhaltigen Entwicklung des Standorts gefunden werden.
Es gilt daher, die Motivation der Akteure (insbesondere der unternehmerischen) mit einem konkreten Nutzenversprechen zu hinterlegen.
Während die institutionellen Teilnehmer einen durchaus stärkeren Bezug zum Ziel der Entwicklung des Wirtschaftsstandorts aufweisen, haben Unternehmen einen, wie beschrieben, stärkeren unternehmensspezifischen Bezug. Ob sich ein Unternehmen also gänzlich altruistisch, egoistisch oder in einer Mischform aus beidem an der Entwicklung des Standorts Bottrop beteiligt, spielt zunächst keine Rolle: Die Beteiligung an sich ist eine wichtige Informationsquelle über die Motive der heimischen Unternehmen. So können Interessensüberschneidungen mit Zielen einer nachhaltigen Standortentwicklung gefunden werden. Ein Beispiel findet sich bei der nachhaltigen City-Logistik. Während ein lokales Unternehmen ein ökonomisches Interesse hat neue Geschäftsfelder für sich zu entwickeln, bietet sich für den Standort die Möglichkeit lokale Verkehre zu reduzieren, Luftverschmutzung und Lärmbelastung zu mindern (s. Zwanzig zum Projekt »LOUISE«).
Als besonders wichtig für den Erfolg des Prozesses zeigt sich die Mobilisierung durch ein Mehrwert-Versprechen (siehe dazu Interviews mit Dr. Claudia Keidies, Ralf Meurer und Ralf Meyer in dieser Publikation). Die Ziele und Mehrwerte der Prozesse und Instrumente plausibel zu kommunizieren, sollte im Zentrum solcher Ansätze stehen. In Bottrop 2018+ wurde diesbezüglich auf Veranstaltungen und unterschiedliche Online-Kanäle gesetzt.
Eine hohe Motivation alleine ist aber nicht ausreichend für den Erfolg der Mobilisierung. Dazu bedarf es auch einer zielgruppenspezifischen und einfachen Ansprache. Eine kontinuierliche Mobilisierungsstrategie hat sich im Prozess als notwendig erwiesen.
Die richtige Ansprache der Akteure spielt eine ausschlaggebende Rolle. Zu beachten sind allerdings unterschiedliche Herausforderungen. So können Erfahrungen aus der Vergangenheit mit Stadtverwaltung oder Wissenschaft Vorbehalte hervorrufen. Oft ist es auch schwierig die Aufmerksamkeit der Unternehmen zu bekommen, da diese aufgrund ihrer Verpflichtungen im Tagesgeschäft im hohem Maße zeitlich eingeschränkt sind. Eine adressatenorientierte Ansprache ist wichtig. Das bedeutet, dass zunächst die Interessen der beteiligten Akteure verschiedener Herkunft angemessen berücksichtigt werden. Daher sollte die Kommunikation mit Unternehmen zielgerichtet und klar sein. Dies gilt sowohl für die Ansprache der Unternehmen in der direkten Kommunikation (E-Mails, Anschreiben, Telefonate, Gespräche etc.) als auch für Partizipationsformate und Veranstaltungen. Es gilt schnell auf den Punkt zu kommen, die relevanten Informationen weiterzugeben und Nutzen für das Unternehmen aufzuzeigen. So sollte das Wording möglichst pragmatisch unkompliziert und ansprechend sein. Andernfalls entsteht schnell das Gegenteil der eigentlichen Intention: Die Augenhöhe ist nicht gegeben und die angesprochenen Akteure wenden sich ab, da sie sich selbst nicht als passende Zielgruppe sehen.
Dass ein komplexer Partizipationsprozess wie Bottrop 2018+ gelingt, hängt somit entscheidend davon ab, welche Sprache die Akteure selbst sprechen und mit welcher Sprache sie angesprochen werden. Gelingt es nicht, die Beteiligten mitzunehmen, also die Ziele und Inhalte des Prozesses in ihre jeweiligen Lebensund Arbeitswelten zu übertragen, wird die erfolgreiche Umsetzung der Initiative schwierig. Im Projekt wurde dies regelmäßig über die Einbindung guter Beispiele und Ideen aus lokalen Unternehmen und Initiativen versucht.
Darüber hinaus ist ein informeller Informations- und Wissensaustausch zwischen den Stakeholdern für den kurzfristigen Erfolg im Partizipations-, aber auch für die langfristige Perspektive des gesamten Transitionsprozesses von entscheidender Bedeutung. Denn wenn es gelingt, die theoretischen Leitplanken aus der Struktur einer formalisierten Governance in praktisches Handeln innerhalb der Lebenswelt der Akteure zu überführen und dort als Selbstverständlichkeit zu implementieren, hat der mit viel Aufwand betriebene Mobilisierungsprozess ein zwar äußerlich unscheinbares, aber immens wichtiges Ziel erreicht.
3. Vernetzung und Beteiligung
Um Stakeholder dauerhaft in einem Prozess zu binden, bedarf es eines institutionellen Settings als Manager des Dialogs und der Vernetzung (s. Rabadjieva & Terstriep zu Partizipation ist kein Selbstzweck).
Der Ansatz Bottrop2018+ bestand dabei aus drei Ebenen (s. Merten et al. zum Ansatz Bottrop 2018+ in dieser Publikation), die unterschiedliche Zusammensetzungen und Instrumente nutzten (s. Tabelle 1):
- Die übergeordnete Ebene der Wirtschaftsallianz, die für alle strategisch interessierten Wirtschaftsakteure am Standort offensteht und sich durch größere Veranstaltungen auszeichnet;
- die thematischen Strategischen Allianzen, die branchen- oder themenspezifische Veranstaltungen umfasst und
- die operative Ebene der Reallabore, auf der konkrete Lösungen für spezifische Fragestellungen entwickelt und umgesetzt werden sollen.
Als besonders relevant für die Mobilisierung hat sich das Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement als Schnittstellenmanager, insbesondere das Stakeholder-Management der Geschäftsstelle, erwiesen. Neben den Kontakten zu Unternehmensvertretern, Politikern und anderen Stakeholdern hat die Wirtschaftsförderung auch eine wichtige Steuerungsfunktion für die Zielerreichung im Gesamtprozess eingenommen und es konnten zahlreiche neue Akteure aufgeschlossen und in den Dialogprozess eingebunden werden. Um die identifizierten Akteure und Stakeholder über das Projekt zu informieren und dafür zu gewinnen, wurde zunächst eine hochkarätige Auftaktveranstaltung der Wirtschaftsallianz durchgeführt. Diese kann als zentraler Meilenstein der Aktivierungsstrategie im Rahmen des Projektes angesehen werden.
Damit eine Aktivierung gelingt, ist es wichtig Formate vorzusehen, in denen die Akteure selbst aktiv werden bzw. sich aktiv in die Erarbeitung von Inhalten einbringen können. Diese stimulieren nicht nur in hohem Maße eine gezielte Ergebnisorientierung, sondern wirken gleichermaßen motivierend auf die Mitwirkungsbereitschaft wie auch auf die Produktivität der Teilnehmer.
Zentrales Ziel der ersten Aktivierungsphase war die Definition eines gemeinsamen Zukunftsbilds unter Beachtung der Projektziele, den Standort nachhaltig und resilient zu entwickeln. Damit war der Prozess nicht mehr gänzlich offen, sondern in Leitplanken gefasst. Dies half in der ersten Aktivierungsphase die Beteiligung zu strukturieren und ein Ziel vorzugegeben. Durch den symbolischen Akt der gemeinsamen Unterzeichnung des gemeinsamen Leitbilds der Wirtschaftsallianz ist ein Wir-Gefühl und damit auch ein persönliches Commitment von Schlüsselakteuren geschaffen worden.
Ebenso wurde bei der Auswahl der Veranstaltungsorte darauf geachtet, ein unternehmerfreundliches bzw. innovatives Umfeld zu bieten, damit sich die Akteure zu Hause fühlen und somit eine adäquate Wertschätzung erleben. Teilweise dienten Unternehmen selbst als Veranstaltungsort, was den Unternehmen die Möglichkeit gab sich den Gästen vorzustellen, teilweise auch innovationsorientierte Umgebungen wie z. B. die Hochschule Ruhr West.
Darüber hinaus sollten natürlich ebenso die Herkunft bzw. die Präferenzen der Akteure berücksichtigt werden, um ihre individuelle Motivation zur Beteiligung am Prozess möglichst gezielt zu stimulieren. Daher kommt der Ausgestaltung der Ansprache- und Arbeitsformate eine wesentliche Rolle im Beteiligungsprozess zu. Im Rahmen des Projektes wurden unterschiedliche Veranstaltungsformate durchgeführt. Dabei stand das Mitwirken jeweils im Vordergrund. Sie reichten von eher informationsorientierten Veranstaltungen mit Impuls-Vorträgen bis hin zu Welt- bzw. Dialog-Cafés und Praxis- Workshops.
Als besonders erfolgsversprechend haben sich die Formate gezeigt, die zielgruppenoffen und strategisch orientiert waren, da diese auch Platz zum Netzwerken ließen. Vor diesem Hintergrund wurde der Plattform Wirtschaftsallianz, die die Möglichkeit zur persönlichen Begegnung und Kollaboration schafft, von allen Akteuren großer Wert beigemessen. Der Mehrwert solcher Plattformen, »um Akteure zusammenzubringen, verfestigte Strukturen aufzubrechen und neue Ideen zu generieren« (Strambach 2018, Seite S. 241) wurde allen Beteiligten von Anfang an bewusst und demensprechend wurden diese Veranstaltungen immer zahlreich besucht. Auf dieser Ebene konnten auch sehr gut die Multiplikatoren eingebunden werden, die an der Entwicklung von Strategien ein besonderes Interesse haben.
Auf weniger Resonanz stießen Formate, die auf der einen Seite zielgruppenspezifisch (branchenspezifisch) angelegt waren, aber in ihrer inhaltlichen Ausrichtung eher abstrakt ausgerichtet waren. Das liegt u. a. daran, dass den Teilnehmern auf dieser Ebene oft die Zeit fehlt und ihr Eigeninteresse – die Entwicklung ihres Unternehmens – in einem strategischen Format mit dem Thema Standortentwicklung nicht alleine im Vordergrund stehen kann. Hier hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, auf bestehende Netzwerke und Veranstaltungsformate, wie z. B. den Bottroper Sterneabend [4] des Einzelhandels zurückzugreifen.
Für die Aktivierung und Mobilisierung von Unternehmen zeigen sich praxisorientierte Formate, die niederschwellig, themen- und zielgruppenbezogen und praxisorientiert sind, besonders geeignet.
Für die Aktivierung und Mobilisierung von Unternehmen zeigen sich praxisorientierte Formate, die niederschwellig, themenund zielgruppenbezogen und praxisorientiert sind, besonders geeignet. Wichtig ist dabei eine Kommunikation auf Augenhöhe und ein Veranstaltungsort, der zur Zielgruppe passt. So wurden im Rahmen des Reallabors Hybride Formen des Einzelhandels verschiedene Workshops für Einzelhändler zum Thema Digitalisierung in einem leerstehenden Ladenlokal angeboten. Damit war das Angebot einfach für die Händler erreichbar und die Veranstaltungsumgebung bekannt. Beim Thema Handwerk wurde durch die Kooperation mit der Hochschule Ruhr West das FabLab für interessierte Handwerker geöffnet und praktisch neue Formen der digitalen Produktion erprobt. Wichtig ist bei diesen Formaten, dass etwas passiert. Es sollte keine aufwendige Moderation stattfinden sondern eine individuelle Ansprache in lockerer Gesprächsrunde. Dieses gemeinsame Arbeiten an neuen Themen findet eine hohe Akzeptanz bei Unternehmen.
Eine Herausforderung stellt die Operationalisierung von übergeordneten Themen und Strategien, wie die Themen der Nachhaltigkeit und Resilienz, in die Praxis dar. Es ist oft strukturell bedingt, dass kleinen und mittelständischen Betrieben – anders als großen Konzernen mit entsprechenden Abteilungen – oft die Ressourcen fehlen, sich strategisch in diesem Bereich aufzustellen. Die Lösung dieses Problems stellt eine wichtige Frage für zukünftige Projekte der Transitionsforschung zur nachhaltigen und partizipativen Standortentwicklung dar. Eine starke Verbindung zwischen der Alltagspraxis und den sich aus globalen, nationalen oder regionalen Herausforderungen abgeleiteten Strategien zur Nachhaltigkeit und Resilienz würde zudem die Transferierbarkeit von entwickelten Lösungen in den unternehmerischen Alltag sowie auf neue Branchen und Standorte erhöhen.
4. Umsetzung und Verstetigung
Zentral für die dauerhafte Mobilisierung von Unternehmen ist die Phase der Umsetzung. D. h. es muss etwas, im besten Fall Sichtbares, entstehen. Für die strategische Ebene hat sich das Format des Zukunftsplans als ein wichtiges Umsetzungsinstrument gezeigt. Hier sind konkrete Umsetzungsmaßnahmen zusammengefasst, die sowohl auf den Nutzen für die Unternehmen einzahlen, als auch hin zu einer nachhaltigen und resilienten Standortentwicklung wirken. Durch die entwickelten Mobilisierungsund Managementstrukturen sollen die Maßnahmen unter Mitwirkung und auch Federführung der Wirtschaftsakteure am Standort umgesetzt werden. Ebenso sollen die in Workshops entwickelten Reallaboransätze fortgeführt werden, um strategische Ziele in unternehmerisches Handeln zu übertragen. So stellt sich Mobilisierung und Aktivierung als ein Kreislauf dar, der dauerhaft betreut und gesteuert werden muss. Eine solche Verstetigung kann durch die entsprechenden Strukturen, wie das Stakeholder- und Kundenmanagement sowie die dauerhafte Institutionalisierung von Beteiligungsformaten, wie der Wirtschaftsallianz, unterstützt werden.
5. Lessons Learned
Die im Prozess Bottrop 2018+ gemachten Erfahrungen zur Identifizierung, Mobilisierung und Ansprache der beteiligten Akteure sind differenziert zu betrachten.
Ausgangsbasis für einen gelungenen Mobilisierungsprozess ist eine fundierte Analyse der Akteure im Hinblick auf ihren Nutzen und Einfluss. Durch ein gutes Management dieser Stakeholder, z. B. über das CRM System, können sie geclustert und gezielt für Veranstaltungen eingeladen werden.
Weiterhin ist es wichtig, die Motivationen der Akteure zu kennen und diese durch eine entsprechende Kommunikation und Ansprache zu aktivieren. Nicht unwichtig ist dabei auch die Erzeugung eines »Grundrauschens« über Öffentlichkeitsarbeit und das Vorhandensein von Vorreitern und Motivatoren, wie z. B. den Oberbürgermeister einer Stadt. Wichtig ist dann eine niederschwellige und persönliche Ansprache aufzubauen, die die Motivation der einzelnen Akteure mit in Betracht zieht. Gleichzeitig ist es wichtig Motivallianzen zwischen den strategischen Zielen des Wirtschaftsstandorts (z. B. die Reduzierung von Lieferverkehren) und unternehmerischen Zielen (Entwicklung neuer Geschäftsfelder) zu knüpfen. So können die strategischen Ziele mit direktem Mehrwert hinterlegt und in die Lebenswirklichkeit der Unternehmen transferiert werden.
Dazu ist es wichtig, die identifizierten und motivierten Akteure durch eine zielgruppenorientierte Ansprache dauerhaft in einen Partizipationsprozess mit unterschiedlichen Beteiligungsformaten einzubinden. Wichtig ist dabei, dass der Prozess für den einzelnen Akteur überschaubar und nutzbringend ist. So haben sich strukturierte Beteiligungsveranstaltungen mit einem hohen Maß an methodischer Konzeption, die dem strategischen Dialog dienen, als besonders geeignet gezeigt, um institutionelle Akteure, Meinungsführer und stadtentwicklungsinteressierte Akteure zu binden. Für kleinere Unternehmen ist es wichtig, dass etwas passiert und dass sie einen direkten Nutzen ziehen können. Hier haben sich themen- und zielgruppenspezifische Workshopformate als ein geeignetes Instrument gezeigt. Wichtig ist auch, in diesen Formaten die Zielgruppe auf Augenhöhe anzusprechen. Als wenig geeignet hat sich eine Mischform aus zielgruppenorientierten und strategischen Formaten im Rahmen der Strategischen Allianzen gezeigt. Hier konnt en die Akteure keinen Nutzen für sich erkennen und fühlten sich durch die daraus resultierende Komplexität auch überfordert. In diesem Fall können bestehende branchenspezifische Netzwerke geeignete Plattformen für einen strategischen Diskurs bilden. Es hat sich gezeigt, dass durch eine zielgruppen-/ themenspezifische und auf die Motivation ausgerichtete Ansprache sowie durch partizipative Veranstaltungsformate Akteure dauerhaft in den Prozess eingebunden werden können, so dass sich diese aktiv beteiligen.
Für einen gelungenen Mobilisierungsprozess bedarf es eines systematischen und strukturierten Stakeholder-Managements. So konnten auf der einen Seite wichtige Akteure gezielt identifiziert, die Koordination von Kontakten mit Stakeholdern im Rahmen diverser Veranstaltungen oder persönlicher Kontakte verbessert werden und auf der anderen Seite insgesamt das Datenund Wissensmanagement im Amt für Wirtschaftsförderung und Standortmanagement verbessert werden. Dies hat die Pflege der Beziehungen zu sowie die Kommunikation mit den Unternehmen weiterentwickelt.
Auch das im Rahmen der Wirtschaftsallianz entwickelte Netzwerkmanagement bietet als vorhandene Plattform auch für zukünftige Aktivitäten weiteres Potenzial für die Zusammenarbeit mit Unternehmen. Diesbezüglich hat sich der Prozess auch positiv auf das Verhältnis der meisten beteiligten Unternehmen zur Wirtschaftsförderung ausgewirkt, was für die weitere Arbeit im Rahmen der Wirtschaftsallianz sehr vorteilhaft ist. Insbesondere der Aspekt der branchenübergreifenden Vernetzung (Cross-Networking), in der z. B. Handwerksunternehmen auf Einzelhändler treffen, um gemeinsam an der Zukunftsfähigkeit ihres Standortes zu arbeiten, ist hier positiv hervorzuheben. Schließlich dienen branchenübergreifende Vernetzung und möglicherweise daraus resultierende geschäftliche Aktivitäten auch der Stabilisierung und Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur. Und nicht zuletzt wird auch dadurch das Lernen der verschiedenen Akteure von und miteinander gefördert. Auch auf diese Weise vermehrt sich das Wissen des Standortes und wächst die Fähigkeit seiner Akteure, standortspezifische und maßgeschneiderte Problemlösungen zu erarbeiten und sich gemeinsam mit Zukunftsthemen auseinanderzusetzen.
[1] Straßburger & Rieger (Hg.) (2014): Partizipation kompakt - Für Studium, Lehre und Praxis sozialer Berufe, S. 232f.
[2] Die Stadt Bottrop war eine von zuletzt 20 Städten, die sich im Rahmen des Zukunftsstadt-Prozesses 2030+ mit einer nachhal-tigen und klimagerechten Stadtentwicklung auseinandergesetzt hat (siehe https://www.Bottrop.de/Zukunftsstadt).
[3] Vor der Änderung des Handlungsfeldes, welche innerhalb der Projektlaufzeit vorgenommen wurde (s. Mertens et al. zum Ansatz Bottrop 2018+).
[4] Der Bottroper Sterneabend vereint lokale Einzelhändler und Interessensgemeinschaften, die konkrete Problemstellungen gemeinsam lösen sowie Aktionen durchführen.
Literatur
Bertelsmann Stiftung (2014): Vielfältige Demokratie – Kernergebnisse der Studie „Partizipation im Wandel – Unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden“. Bertelsmann Stiftung. Gütersloh. Online verfügbar. Stand: 06.12.2022.
Engelmann T., Merten T., Bowry J. (2014): Handbuch - Instrumentenkasten zur Führung, Management und Steuerung für die strategische Allianz Demografiemanagement, Innovationsfähigkeit und Ressourceneffizienz am Beispiel des Wirtschaftsraums Augsburg A3.
Engelmann T., Merten T., Bowry J., Witte D., Seipel N. (2015): ADMIRe aufbauen und führen - Strategische Allianzen zur regionalen Nachhaltigkeitstransformation.
Glaab, M. (2016): Politik mit Bürgern – Politik für Bürger. Praxis und Perspektiven einer neuen Beteiligungskultur. Springer Verlag. Wiesbaden.
Hatzelhoffer, L., Lobeck, M., Müller, W., Wiegandt, C. (2010): E.Government und Stadtentwicklung. LIT Verlag. Berlin.
Leitner, M. (2018): Digitale Bürgerbeteiligung. Forschung und Praxis – Chancen und Herausforderungen der elektronischen Partizipation. Springer Verlag. Wiesbaden.
Meier, Gino (2018): Stadt und Partizipation – eine Analyse zur Bedeutung und Wirksamkeit von Bürgerbeteiligung in der Stadtentwicklung. Selbstverlag des Geographischen Instituts der Universität Heidelberg. Heidelberg.
Nordhause-Janz, J. (2017): Sozioökonomische Analyse der Stadt Bottrop. AP1.3 Bericht des Projekts „Bottrop 2018+ - Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstruktur.“ FONA, Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Strambach, Simone; Pflitsch, Gesa (2018): Regionale Transitionspfade zur Nachhaltigkeit, Eine Transitionstopologie der Region Augsburg. In: Standort. Zeitschrift für Angewandte Geographie. Heft 4. Dezember 2018.
Straßburger und Rieger (Hg.) (2014): Partizipation kompakt - Für Studium, Lehre und Praxis sozialer Berufe. Online verfügbar unter: http://www.partizipationspyramide.de/partizipationspyramide_strassburger_rieger_print.pdf. Stand: 12.08.2019.
Welschhoff, J. und Terstriep, J. (2017): Wirtschaftsförderung neu denken: Partizipative. Governance am Beispiel von Bottrop 2018plus. IAT Forschung Aktuell, Nr. 07/2017.