»Motivation durch Zugriff und Beteiligung durch Masterplan: Die Wirtschaft braucht eine Stimme«
Maria Rabadjieva (IAT) im Interview mit
Ralf Meurer, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg mbH (GFW Duisburg).
Ralf Meurer ist seit 1988 bei der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg mbH (GFW Duisburg) und seit 1997 dort Geschäftsführer. Die GFW Duisburg ist als »Public-Private-Partnership« mit 50% Beteiligung der Stadt und 50% der Wirtschaft organisiert.
Herr Meurer, was bedeutet für Sie und die Wirtschaftsförderung Duisburg Nachhaltigkeit? Bestehen Strategien sich nachhaltig aufzustellen?
Für uns als Wirtschaftsförderung ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Um einen nachhaltigen Wirtschaftsstandort zu entwickeln muss man vorausschauend denken, allgemeine Trends beobachten und die angemessenen Reaktionen darauf fördern. Unsere Strategie für Nachhaltigkeit besteht daher nicht nur aus dem „was man will“, sondern auch aus der Anpassung an aktuelle Entwicklungen. Wenn ein äußerer Effekt auftritt, der Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft hat, dann müssen wir als Wirtschaftsförderung unsere Einflussmöglichkeiten überprüfen. Wen können wir auf das Thema ansprechen und wie tragen wir es an die Unternehmen heran?
Die Unternehmen selbst haben häufig nicht die Zeit, die Entwicklungen abseits ihres Tagesgeschäfts zu beobachten. Deshalb kann die Wirtschaftsförderung die Unternehmen auf die großen Trends, die links und rechts passieren, aufmerksam machen und die Umsetzung geeigneter Lösungen in den Betrieben unterstützen. Durch diese Form der Sensibilisierung weisen wir Unternehmen auf mögliche Gefahren für bestimmte Geschäftsmodelle hin. Zusätzlich kann unsere Arbeit Anstöße zur Lösungsfindung innerhalb der Betriebe liefern. Im weiteren Verlauf kann man dann Berater hinzuziehen, die das betreffende Unternehmen dabei unterstützen, diesen laufenden Innovationsprozess fortzuführen. Ein Beispiel dafür ist das Thema Ressourcen- und Energieeffizienz. Auf einmal steigen die Ressourcen- und Energiepreise und die Unternehmen stellen fest, dass sie nicht mehr wirtschaftlich sind, weil sie sich nicht rechtzeitig an diese Entwicklung angepasst haben.
Können Sie uns kurz den »Duisburger-Weg« vorstellen? Was haben Sie in Duisburg genau angestoßen?
Der »Duisburger-Weg« wird bestimmt durch die mehr als dreißigjährige Kooperation von Wirtschaftsförderung und Wirtschaft. Die Wirtschaftsfördergesellschaft wurde 1988 gegründet. Damals erreichte der große Strukturwandel in Bezug auf Stahl und Kohle seinen Höhepunkt. Auslöser war die strategische Entscheidung des Krupp-Konzerns, eines der modernsten Stahlwerke Europas, das Werk in Rheinhausen zu schließen. Das war ein Signal für Duisburg, dass das Thema Strukturwandel stärker und aktiver angegangen werden muss. Das damalige Amt für Wirtschaftsförderung funktionierte in seiner ursprünglichen Form nicht mehr, da die Stadt Duisburg nicht über die zusätzlich benötigten finanziellen Mittel verfügte. Die Steuereinnahmen sanken durch die wegbrechenden Betriebe und gleichzeitig stiegen die Aufwendungen für Sozialleistungen infolge der steigenden Arbeitslosigkeit.
Damals ist es gelungen, die Wirtschaft, zunächst in Form der Großindustrie, in das Thema Wirtschaftsförderung zur Gestaltung des Strukturwandels einzubeziehen. Die acht größten Konzerne in Duisburg, u.a. Thyssen, Haniel, Ruhrkohle, Mannesmann, und Klöckner, sagten zu, das Thema Wirtschaftsförderung mit 1 Millionen DM pro Jahr zu unterstützen. So konnte eine GmbH gegründet werden, an der die Stadt und die Wirtschaft zu je 50 Prozent beteiligt waren. Die Stadt Duisburg versprach, die bisher für das Amt aufgewandten Mittel in die neue Gesellschaft als laufende Kosten zu übertragen. Dadurch kamen zwei Drittel unserer Finanzierung, etwa 2 Millionen damals noch DM, von der Stadt und ein Drittel, also noch einmal 1 Millionen DM, aus der Wirtschaft. Mit der Zeit Im Laufe der Zeit folgten viele kleine und mittlere Unternehmen, so dass wir inzwischen über 30 Gesellschafter haben.
Dieses Modell war über 30 Jahre erfolgreich. Jetzt kommen wir in eine Phase, in der die Unternehmen sehr genau auf den Nutzen einer solchen Beteiligung schauen und sich fragen, ob das Modell noch zeitgemäß ist. Das heißt, das Thema Finanzierung der Wirtschaftsförderung ist ein schwieriges, das wir neu diskutieren müssen. Auch da ist die eingangs gestellte Frage nach Nachhaltigkeit ein entscheidender Faktor, weil die Stadt die Mittel, aufgrund der Haushaltssituation, nicht beliebig erhöhen kann.
Für manche Unternehmen ist das Modell der Public-Privat-Partnership (PPP)-Gesellschaft problematisch. Welche Lösung haben Sie in Duisburg gefunden, um Unternehmen und Wirtschaftsförderung miteinander zu verknüpfen?
Das Modell der PPP-Gesellschaft mit der Beteiligung der Unternehmen ist gerade für international ausgerichtete Großkonzerne problematisch. Eine Beteiligung der Deutschen Bank Filiale Duisburg würde beispielsweise im Konzernbericht in Frankfurt stehen und Forderungen anderer Kommunen nach sich ziehen. Deswegen haben wir entschieden, die Unternehmensbeteiligung über einen Förderverein zu regeln. Der Verein ist dann Gesellschafter und die Unternehmen Vereinsmitglieder. Ein ähnliches Modell gibt es in Essen und Mülheim. Nach der Gründung des Vereins haben wir engagierte Unternehmer gesucht, die auch an dem Masterplanprozess beteiligt waren (siehe unten), und dem Verein beitreten sollten. Als es um die Zielsetzung des Vereins ging, hat der Vorstand, neben der rein finanziellen Beteiligung an der Wirtschaftsförderung, eine Idee gehabt: Der Verein wollte sich gezielt um die Umsetzung des Masterplans und die einzelnen Projekte kümmern. Allerdings waren die Initiatoren des Masterplans, das heißt IHK und Unternehmerverband, nicht in diesem Verein. So schien es, dass der Verein den Initiatoren das Thema Masterplan entzieht. Hinzu kam, dass es in Mülheim einen Unternehmerverband gibt, der als Gesellschafter der Wirtschaftsförderung fungiert. In Anlehnung daran hat sich der Förderverein zu einem Unternehmerverband umgegründet, der nun unser Gesellschafter ist. Trotz der Vorteile hatte diese Lösung auch einen Nachteil für uns. Unsere Idee war ursprünglich, dass der Verein die Wirtschaftsförderung mitfinanziert und sukzessiv einen höheren Anteil aufbaut. Der Unternehmerverband kann dies aus strukturellen Gründen nicht. Nichtsdestotrotz kümmert sich der Unternehmerverband aktiv um einzelne Themen und gerade das Thema »Image« hat er sich mit auf die Fahnen geschrieben. Mittlerweile hat der Verein ca. 40 engagierte Mitglieder.
Herr Meurer, die Wirtschaftsförderung Duisburg ist zum Teil direkt von Unternehmen getragen bzw. finanziert. Sie arbeiten sehr eng mit der Wirtschaft sowohl an der Entwicklung einer gemeinsamen Vision und Strategie als auch an deren Umsetzung. Wie motivieren Sie die Unternehmen in Duisburg mitzumachen?
Das ist die große Herausforderung. Man sieht es auch in anderen Städten wie in Bottrop,
dass es nicht so einfach ist Unternehmen zu mobilisieren. Vor 30 Jahren, damals in 1988,
hat sich die Industrie an der Wirtschaftsförderung beteiligt und das heutige Modell
einer eigenständigen GmbH unterstützt. Das Engagement der großen Industrieunternehmen
war auch dadurch begründet, dass sie in starkem Ausmaß vom Standort profitiert haben und dementsprechend auch etwas zurückgehen wollten. Das haben die
Unternehmen damals als eigene Verantwortung für die Gestaltung des Strukturwandels
erachtet. Es hatte natürlich auch sehr viel mit einzelnen Personen zu tun, die sich das
Thema Wirtschaftsförderung und Strukturwandel »auf die Fahne« geschrieben hatten
und sich stark engagierten. Daraus ist ein Netzwerk entstanden. Im Laufe der Zeit folgten
viele kleine und mittlere Unternehmen deren Motive breit gefächert sind: Manchen
möchten – ähnlich wie die großen Unternehmen seinerzeit – etwas für den Standort
tun. Andere engagieren sich aus Marketinggründen und wollen mit dem Label »Wir sind
ein Gesellschafter der GFW Duisburg!« werben. Daneben gibt es Unternehmen, die im
Netzwerk den originären Mehrwert sehen.
Sind das auch die Motive, die der heutigen Strategie und dem Masterplan »Wirtschaft« zugrunde liegen?
Da finden sich durchaus Parallelen, wenngleich der Prozess anders verlaufen ist. Der in 2017 gegründete »Verein der Duisburger Wirtschaft« (VDUW), wurde als »Förderverein« der GFW Duisburg gegründet und ist inzwischen in den Unternehmerverband »Wirtschaft für Duisburg« übergegangen. Hier engagieren sich Unternehmen , die etwas am Standort bewegen wollen und die einen direkten Zusammenhang zwischen der Situation am Standort Duisburg und der Entwicklung ihres eigenen Unternehmens sehen. Nach dem Motto, wenn in Duisburg Straßen nicht repariert werden, es keine Kindergärten gibt, Schulen nicht saniert werden, dann hat das unmittelbare Auswirkungen auf mein Unternehmen, da ich keine Mitarbeiter*innen finde. Eng damit verbunden war die Frage »Wie kann man sich einbringen, Themen voranbringen, dafür sensibilisieren und die Stadt dazu bringen, sich zu kümmern?«. Im Prinzip ging es den Unternehmen darum, sich Gehör bei der Stadt zu verschaffen in dem sie mit einer Stimme sprechen, um Veränderungsprozesse voranzutreiben.
Was würden Sie sagen ist der größte Erfolg dieses Prozesses in Duisburg?
Ein Erfolg ist die Etablierung des Wirtschaftsdezernenten, der eben »die Stimme der Wirtschaft« in den Stadtstrukturen darstellt. Dank dieses Prozesses gibt es jetzt im Verwaltungsvorstand ein Dezernent für Wirtschaft, das zuvor in Duisburg nicht existierte. Das stärkt die Bedeutung des Themas Wirtschaft und entlastet auch den Oberbürgermeister. Bei den Städten, wo es eine privatwirtschaftlich organisierte Wirtschaftsförderung gibt, entfällt die hierarchische Linie eines Wirtschaftsförderungsdezernenten, da der Oberbürgermeister vielfach als Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderungsgesellschaft auch für das Thema Wirtschaft zuständig ist. Mit dem Wirtschaftsdezernenten haben wir jetzt eine Person, die im Verwaltungsvorstand explizit für das Thema »Wirtschaft« zuständig ist und intervenieren kann, wenn bestimmte Planungen oder Entscheidungen der Wirtschaft schaden können. Das erleichtert die Kommunikation und das Prozedere erheblich. Der Wirtschaftsdezernent in Duisburg ist gleichzeitig auch nebenberuflicher Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung. Durch diese enge Verbindung bekommt die Wirtschaft die Möglichkeit, direkt oder über uns den Dezernenten anzusprechen und bestimmte Anliegen an die Spitze der Stadt zu tragen.
Welche Auswirkung hat der Dezernent auf die Kommunikation mit anderen Akteuren in der Stadt, z. B. Politik?
Politik ist ein unabdingbarer Akteur für jede Wirtschaftsförderung. Man kann keine Wirtschaftsförderung ohne Politik machen. Sie muss entsprechen mitgenommen werden. Aber sachorientiert die Themen der Wirtschaft voranzubringen, ist schwierig. Dafür braucht man eben eine starke Verbindung zwischen Wirtschaft und Politik und das kann der Dezernent leisten, da er auch in die Politik vernetzt ist. Diese Verbindung ist ganz wichtig, denn die Politik ist diejenige, die letztendlich die Entscheidungen in einer Stadt trifft. Die Position des Wirtschaftsdezernenten ist ein klareres Ergebnis des Masterplanprozesses und bringt einen großen Vorteil für die Wirtschaft.
Gab es während der Prozesse in Duisburg auch Konflikte zwischen dem, was die Unternehmen sich vorstellen konnten zu machen und was die Politik wollte?
Mögliche Konflikte hat man vermieden, indem man bei der Erarbeitung der Maßnahmen auch das Thema »Machbarkeit« miteinbezogen hat. Man hat keine Maßnahmen mitaufgenommen, von denen man wusste, dass sie schwer zu erfüllen sind. Scheitern erzeugt Frust auf beiden Seiten: Auf der einen Seite, weil die Forderung zu keinem Ergebnis kommt, auf der anderen, weil die Forderung schlicht nicht erfüllbar ist. Zu diesem Zweck hat man auch die Verwaltungsspitze mit an den Tisch gesetzt, damit diese gegebenenfalls einlenken konnten. Ein Wunsch der Unternehmen ist beispielsweise die Gewerbesteuersenkung. Allen Akteuren war aber von vornherein klar, dass diese Forderung nicht umsetzbar ist, deswegen wurde sie gar nicht erst in den Plan mitaufgenommen.
Beteiligung durch Masterplan: Wie werden Unternehmen eingebunden?
Bleiben wir beim Thema »Masterplan« als ein Instrument der Beteiligung. IHK und Unternehmerverband haben in Kooperation mit Wirtschaftsförderung, Stadt und Wirtschaft den Masterplan »Wirtschaft« angestoßen und zum größten Teil schon umgesetzt. Wie ist die Idee für den Masterplan entstanden?
Hintergrund war, dass der Oberbürgermeister seit 2014 regelmäßig die 50 wichtigsten Unternehmen zu einem gemeinsamen Frühstück einlädt. Die IHK und der Unternehmerverband sind ebenfalls immer eingeladen. Das ist ein sehr gutes Format, das Raum für einen Austausch schafft. Im Rahmen dieser Runde kamen der Unternehmerverband und IHK auf die Idee, dass man die Stadt beim Strukturwandel unterstützen sollte und vor allem einen Masterplan »Wirtschaft« aufstellen sollte. Der Masterplan sollte die Themen der Wirtschaft und deren Umsetzung festschreiben. Ein besonderes Augenmerk sollte daraufgelegt werden, ob es Maßnahmenvorschläge bzw. Ideen gibt, die auch umsetzbar sind.
Wie sind Sie mit dem Masterplan vorgegangen? Wie kam er zustande?
Gemeinsam mit den o.g. Akteuren wurden zunächst Themenbereiche identifiziert: Bildung, Technologie, Mittelstand, Gründung, usw. - alles Themen, die mit dem Bereich Wirtschaft zu tun haben. Für jeden Themenbereich wurde ein Arbeitskreis gebildet der jeweils von einem Vertreter aus IHK, Unternehmensverband oder Wirtschaftsförderung organisatorisch geleitet wurde. Innerhalb der Arbeitskreise wurde mit eingeladenen Unternehmen Konzepte erarbeitet. Insgesamt wurden 7 Themenbereiche in 5 Arbeitsgruppen organisiert, die sehr intensiv getagt haben. Getrieben waren diese Aktivitäten von dem Willen der Unternehmen, etwas bewegen zu wollen. Der Zeitrahmen, den man sich gesetzt hatte, war sehr ambitioniert und wir haben so manches Mal zusammengesessen und Themen vertieft zusammengeschrieben. Am Ende haben IHK und Unternehmerverband ein Gesamtpapier herausgebracht. Der Prozess hat ungefähr zwei Jahre gedauert.
Was war für den Erfolg des Prozesses entscheidend?
Die Auswahl der zu beteiligenden Unternehmer*innen war zentral. Es sollte sich hauptsächlich um Personen handeln, die besonders aktiv sind, die Interesse an der Entwicklung des Wirtschaftsstandorts haben, von denen man wusste, dass sie sich auch aktiv einbringen werden. Entscheidend war außerdem, dass für jede Arbeitsgruppe auch ein Vorsitzender aus der Unternehmerschaft ausgewählt wurde. Das hat den Prozess nach vorne gebracht. Gemeinsam mit dem organisatorischen AG-Leiter, der die Protokolle geführt und die Vor- und Nachbereitung der Sitzungen übernahm, hat jeweils ein Unternehmer den Prozess begleitet, und in gewissen Ausmaß auch die Richtung vorgegeben. Zusätzlich gab es einen Lenkungskreis aus weiteren zentralen Akteuren der Stadt. Die Stadtverwaltung aktiv einzubeziehen war ein weiterer Erfolgsfaktor. In jeder AG war ein Vertreter, Dezernent der Stadtverwaltung, präsent. Das hat Raum für eine direkte Rückkopplung geschaffen und es konnte vermieden werden, dass Ideen oder Maßnahmen vorangetrieben werden, die später aus rechtlichen oder anderen Gründen nicht umsetzbar sind.
Wie und von wem wurden bzw. werden die Maßnahmen umgesetzt?
Nachdem der Masterplan fertig war, wurde eine Matrix mit Maßnahmen erstellt inklusive des jeweiligen Status Quo. Viele dieser Maßnahmen sind bereits umgesetzt worden. Zum Teil waren es auch Maßnahmen, die man schon während des Prozesses begonnen hatte. Nach der Veröffentlichung des Masterplans sowie ein bzw. zwei Jahre später wurde erhoben, wie weit man mit der Umsetzung ist. Wir haben festgestellt, dass einige Maßnahmen sehr wohl weitergeführt werden, wenn auch nicht alle. Und dass die Arbeitsgruppen sehr unterschiedlich weiter agieren. Es gibt bspw. eine AG zum Thema »Image«, die sich heute noch trifft. Andere Themen wurden an die zuständigen Institutionen weitergegeben, an die Stadt oder an die Wirtschaftsförderung und man kümmert sich dort weiter.
Ist der Masterplan aus Ihrer Sicht ein geeignetes Instrument Unternehmen bei der Umsetzung von Strategie einzubeziehen?
Ich denke schon, es gibt auch andere Städte, die mit Masterplänen arbeiten. Es ist für die Unternehmer interessant daran mitzuarbeiten, wenn sie merken, dass sie mit ihren Anliegen ernst genommen werden und wenn sie sehen, dass die Themen auch dort platziert werden, wo sie gehören, nämlich in Verwaltung und Politik. Ein Papier zu entwerfen, das sich jemand in Regal stellt, nutzt keinem. Es bedarf des Commitment der Stadt, die sagt: »Ja wohl! Macht das, wir hören uns das an und was wir tun können, machen wir dann auch«. Der Masterplan ist insofern auch ein Aufgabenheft für die Stadtverwaltung, die es als solches wahrnimmt und sich aktiv damit befasst. Damit entsteht zugleich ein gewisser Druck auf Seiten der Unternehmen, denn sie sehen: »wir haben den Masterplan zusammen erarbeitet, wenn die Stadt ihren Teil erfüllt bzw. erfüllt hat, dann übernehme ich auch meinen«.
Der Masterplan heißt Wirtschaft. Der Titel alleine verrät noch nichts über die Vision. Ist in dem Masterplan eine Vision formuliert, ein Ziel wo Duisburg hin will?
Die Vision ist einerseits hier formuliert und es gibt auch von der Stadt das »Stadtentwicklungskonzept 2027«. Das ist ein inhaltlicher Vorläufer zum Flächennutzungsplan, wo man sich auch mit verschiedenen Teilbereichen - Wirtschaft, Wohnen, Umwelt, Infrastruktur - beschäftigt hat. Von Seiten der Stadt hat man sich mit hauptsächlich internen Experten, aber auch mit einem Teil externer zusammengesetzt und überlegt, wie sieht so eine Vision für 2027 aus, mit dem Ziel, die Flächenpolitik der Stadt darauf abzustimmen. Wo brauchen wir mehr Wohnraum, wo mehr Gewerbeflächen? Was muss an Infrastruktur gemacht werden? Das ist hinterher alles in diesen Flächennutzungsplan eingeflossen. Damit war eine klare Vision der Stadt formuliert. Einen Masterplan »Wirtschaft« kann man natürlich nicht völlig konträr dazu aufstellen. Wenn die Stadt jetzt sagt, wir wollen touristischer Luftkurort werden, dann passt die Entwicklung von Industrie und Logistik nicht unbedingt dazu.
Planen Sie eine Weiterentwicklung des Masterplans für die Zukunft?
Im Moment ist eine Aktualisierung des Masterplans nicht geplant, obwohl das sicherlich möglich ist. Nichtsdestotrotz gibt es das Arbeitsprogramm für den Unternehmerverband »Wirtschaft für Duisburg«. Außerdem soll die Arbeit an dem Imagewandel der Stadt Duisburg den Standort nachhaltig nach vorne bringen und positionieren. Es sind andere Themen, die wir jetzt mit den Unternehmen und Verbänden zusammen machen. Zum Beispiel Themen wie CSR, Employer Branding, Energie- und Ressourcen-Effizienz, Klimaschutz und Klimaanpassung.
Sie haben den Unternehmensverband, die GFW, das Unternehmerfrühstück des Oberbürgermeisters. Sind das die Hauptformate im Rahmen derer sich die Unternehmen branchenübergreifend treffen? Wie funktioniert die branchenübergreifende Vernetzung hier in Duisburg?
Das Unternehmerfrühstück des Oberbürgermeisters ist sicherlich ein wichtiger Baustein, weil dort, 50 Unternehmer auf einer Ebene zusammenkommen. In diesem kleinen und relativ feststehenden Kreis lernen sich die Akteure gegenseitig gut kennen.
Aber es ist alles mehrschichtig und wir haben unterschiedliche Zielgruppen. Deshalb machen wir mehrere Veranstaltungen. Wir haben ein Unternehmerinnen-Netzwerk, wo inzwischen 50 Unternehmerinnen oder Frauen in leitenden Positionen drin sind und sich regelmäßig treffen. Darüber hinaus bieten wir als Wirtschaftsförderung für den Mittelstand verschiedene Kreise an u.a. unser Mittelstandsforum. Das Mittelstandsforum ist in den 1990er Jahren als Wunsch von 70 Unternehmen*innen im Rahmen eines gemeinsamen Workshops an die Stadt und die Wirtschaftsförderung herangetragen worden. Der Wunsch war die Schaffung einer Plattform für den gemeinsamen Austausch und ohne großes Rahmenprogramm. Daraufhin haben wir beschlossen, die Veranstaltung dreimal stattfinden zu lassen, denn unsere Erwartung war, dass die Teilnehmerzahlen mit der Zeit sinken werden. Beim ersten Mal kamen dann 60 Unternehmer*innen. Beim nächsten Mal waren es schon 80. Inzwischen hat sich das Format etabliert und findet bereits zum vierzigsten Mal und hat regelmäßig über 300 Teilnehmer*innen. Der Erfolg des Formates liegt zum einen daran, dass es tatsächlich außer der Begrüßung kein Programm gibt. Zum anderen findet die Veranstaltung an wechselnden und spannenden Orten statt, zum Beispiel auf Baustellen, in Discotheken oder einer Westernranch. Ein weiterer Grund ist, dass wir den Unternehmen relativ schnell die Möglichkeit geboten haben, ihre Produkte und Dienstleistungen auszustellen. Dieser bunte Mix von allen möglichen Branchen hat dazu geführt, dass man neue Unternehmen und eventuelle Vertragspartner leichter kennengelernt hat. Außerdem wurde die Kontaktaufnahme mit wichtigen Akteuren, wie dem Oberbürgermeister oder dem Chef der IHK, erleichtert. Auch die Wirtschaftsförderung ist mit ihren Mitarbeiter*innen auf den Veranstaltungen direkt ansprechbar.
Bieten Sie auch Veranstaltungen oder Maßnahmen an, die sich thematisch verstehen lassen? Ein Beispiel wäre ein Treffen speziell zu dem Thema »Energie«.
Wir als Wirtschaftsförderung organisieren natürlich am ehesten Netzwerke oder Treffen in den Themenbereichen, die auch in Zukunft relevant sein werden. So unterstützen wir die Verbindung der Kreativwirtschaft mit klassischen Unternehmen. Außerdem bieten wir regionale Treffen an, wo sich Unternehmer eines einzelnen Gewerbegebietes treffen. Bei Zweien haben sich da inzwischen Vereine gegründet, die diese Treffen untereinander selbst organisieren. Die zentrale Frage ist dabei: Was können wir für unser Gebiet tun, aktuell gerade auch im Hinblick auf Energie- und Ressourceneffizienz? Können wir da etwas gemeinsam umsetzen? Des Weiteren organisieren wir zum Beispiel Branchentreffen für die Kreativwirtschaft und die Bauwirtschaft. Im Technologiebereich gibt es Stammtische und wir fördern das Matchen der Technologieunternehmen mit Mittelständlern.
Was ist Ihre Botschaft für andere Wirtschaftsförderungen, die von Ihnen lernen möchten? Was kann man aus Duisburg lernen?
Wenn man etwas bewegen will, ist es wichtig, dass man seine Stadt sowie ihre Akteure kennt und in der Lage ist, diese zu motivieren, um gemeinsam Prozesse voranzubringen. Das funktioniert am besten, wenn man aktiv die bereits motivierten Unternehmen aufspürt und sich gemeinsam Ziele und Maßnahmen überlegt. Das ist auch das, was in den Arbeitsgruppen des Masterplans passiert ist: In jedem Arbeitskreis gab es vielleicht eine Handvoll hoch motivierter Unternehmen. Die anderen waren diejenigen, die insgesamt ein Interesse an der Mitarbeit besaßen und erst durch die Zusammenarbeit motiviert wurden. Außerdem müssen Stadtverwaltung und Politik immer in die Prozesse miteinbezogen werden. Dann entsteht eine gewisse Eigendynamik zwischen den beteiligten Akteuren. Innerhalb der Arbeitsgruppen kann es natürlich zu großen Differenzen in der Motivation kommen. Nicht jede Gruppe ist so motiviert wie die Gruppe »Marketing/Image«, die über den Unternehmerverband immer noch weiterarbeitet.